- Kultur
- Zum Tod von France Gall
Ein bisschen mehr Esprit
France Gall ist tot
Es gibt sie seit vielen Jahren in gar nicht so geringer Zahl, die Geschichten über Gymnasiasten, die kurz vor dem Beginn ihrer Oberstufenzeit längst entschieden haben, das Schulfach Französisch abzuwählen. Nicht nur, dass sie sich jahrelang mit dieser komplexen Grammatik und der zungenführerscheinpflichtigen Aussprache beschäftigen mussten. Nein, auch das, was deutschen Schülern literarisch und popkulturell aus dem Nachbarland vorgesetzt wurde und wird, kann kaum einen Sechzehnjährigen je zum Frankophilen gemacht haben: hier ein ebenso niederschmetterndes wie unspielbares Stück von Sartre, dort brechreizerregende Schmonzetten wie »La Mer« von Charles Trenet oder »Les Champs-Élysées« von Joe Dassin.
Manche derer, die ihre Karriere als Französischpaukende auf dem Höhepunkt ihrer Lernfähigkeit beenden wollten, hat France Gall gerettet. Lehrer, die ihrer Klasse die Musik dieser Sängerin vorgespielt haben, dürften mit hoher Wahrscheinlichkeit eine größere Weiterlernquote unter ihren Schützlingen erzielt haben als andere. Eindeutig belegen lässt sich das hier nicht. Es wäre aber ein lohnendes Forschungsvorhaben für Kulturwissenschaftler. Sollten sie sich damit befassen: Die Wette gilt.
Viele der Chansons von France Gall verfügen über das, was sich am besten mit dem aus der Mode geratenen Lehnwort »Esprit« beschreiben lässt. Am Anfang ihrer Laufbahn aber stand etwas ganz anderes: In den 60er Jahren regte France Gall in ihren Liedern eher die Phantasie teutonischer Lustgreise an. Nachdem die in Paris geborene Künstlerin 1965 für Luxemburg den »Grand Prix Eurovision« gewann, sang sie zwischen 1966 und 1972 auf Deutsch. In »Ein bisschen Goethe, ein bisschen Bonaparte« ersehnte sie sich eine Mischung aus Dichterfürst und Feldherr zum Ehemann, in »Zwei Apfelsinen im Haar« stellte sie eine Frau vor, die Bananen um die Hüften und ein Kokosnusskleid trägt.
Ein Titel in den mittleren Jahren der France Gall steht exemplarisch für das französischsprachige Werk. Es ist jene Nummer, die manche Französischstunde aufgewertet hat: »Ella, elle l’a«, diese 1987 veröffentlichte Ode an Ella Fitzgerald, die sich in Deutschland wochenlang auf Platz eins der Charts halten konnte. »C’est comme une gaieté / Comme un sourire / Quelque chose dans la voix / Qui parait nous dire ›viens‹ / Qui nous fait sentir étrangement bien« - allein dieser Text ist poetischer als vieles, das manch erfolgreicher Unterhaltungsliterat hervorgebracht hat. Und dann dieses eingängige, aber keinesfalls triviale Arrangement: Wer will da nicht fließend in dieser wundersamen Sprache singen können?
Seit dem Tod ihres Ehemanns 1992 trat France Gall kaum noch öffentlich auf. Am Sonntag ist sie im Alter von 70 Jahren einem Krebsleiden erlegen.
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