2018 drohen in Afrika neue Krisenherde
Für die Europäische Union ist Sicherheitspolitik und Flüchtlingsabwehr gewichtiger als eine schlüssige Entwicklungspolitik
Krisen sind für Mark Lowcock Alltag: Der UN-Nothilfekoordinator hat im Blick, wo auf der Welt die Lage besonders kritisch ist. Und für 2018 sieht er außer Syrien und Jemen vor allem ein Land, in dem die Lage besonders schlimm werden wird: Kongo. »Die Gewalt hat sich fast im ganzen Land ausgebreitet«, sagt er. Mit mindestens 10,5 Millionen Hilfsbedürftigen kalkulieren seine Mitarbeiter, vielleicht auch mehr. Denn für Ende 2018 ist die Präsidentenwahl angesetzt. Ob aber Amtsinhaber Joseph Kabila sein Volk nach sieben Jahren endlich wählen lässt, dürfte vor allem vom internationalen Druck abhängen.
Von ausländischem Engagement war 2017 wenig zu spüren. Eigentlich hätten die Wahlen in Kongo schon dieses Jahr stattfinden müssen, doch die US-amerikanische UN-Botschafterin Nikki Haley lenkte bei ihrem Besuch in Kinshasa ganz ungefragt ein, 2018 sei doch auch in Ordnung. Den Aufschrei der Opposition ließ Kabila, der eigentlich nicht noch einmal antreten darf, an sich abperlen: Fortan war nur noch von 2018 die Rede. Haleys Auftritt in Kinshasa ist ein Beispiel dafür, dass sich die US-Regierung unter Präsident Donald Trump aus dem Geschehen in Afrika weitgehend zurückgezogen hat. Ob Wahlchaos in Kenia oder Völkermordvorwürfe in Burundi: Washington schweigt.
Und auch die EU interessiert sich derzeit für Afrika vor allem, wenn es um Flüchtlingsabwehr geht. Eine Milliarde Euro soll das bitterarme Niger bis 2020 an Entwicklungshilfe bekommen, teilte der zuständige Kommissar für Entwicklung, Neven Mimica, Mitte Dezember in Brüssel mit. »Der Schwerpunkt wird auf grundlegenden sozialen Dienstleistungen und zugleich auf Sicherheit liegen, das eine geht nicht ohne das andere«, sagte der Kroate. Was Sicherheit bedeutet, das sagte er auch: Kampf gegen die transnationale Kriminalität, darunter illegale Migration und Schleuserei - in Richtung Europa.
Um einen Frieden für Südsudan, wo seit mehr als vier Jahren Bürgerkrieg herrscht, bemühen sich EU und USA derzeit ebenso wenig wie um die Stabilisierung der Lage in der Zentralafrikanischen Republik, wo die Not der Menschen ins Unerträgliche wächst. In beiden Ländern sind nur noch Reste von Staatlichkeit vorhanden. Anderswo haben Separatisten Zulauf, im Südosten Nigerias etwa, wo es wachsende Unterstützung für ein unabhängiges Biafra gibt. Der Staat weiß sich wie einst Ende der 60er Jahre nur mit Gewalt zu helfen.
Auch in Kamerun drohen die Unruhen zwischen der französischsprachigen Bevölkerungsmehrheit und der empörten Englisch sprechenden Minderheit zu eskalieren. Separatisten sind erfolgreich, weil die Minderheit sich zurecht vernachlässigt fühlt. Der seit 1975 regierende Paul Biya (84) will sich 2018 für weitere sieben Jahre wiederwählen lassen. Unruhen scheinen sicher.
Noch älter als Biya war zuletzt nur Simbabwes Präsident Robert Mugabe (93), der nach 37 Jahren an der Macht abgesetzt wurde. 2018 soll sein Nachfolger gewählt werden. Dass mit Emmerson Mnangagwa ein langjähriger Mugabe-Gefolgsmann in den Startlöchern steht, lässt auch dort wenig Gutes erwarten.
Das fast schon biblische Alter vieler afrikanischer Herrscher übertüncht, dass hinter den politischen Krisen ein ungelöstes Problem steckt. Drei Fünftel der 1,2 Milliarden Afrikaner sind unter 25, viele auch gut ausgebildete junge Männer und Frauen haben keine Chancen auf dem Arbeitsmarkt.
Die Wirtschaftsabkommen, die die EU als einzige Lösung anbietet, würden die Lage vermutlich verschlimmern, weil die afrikanischen Staaten dann ihre Märkte weiter öffnen müssten. Auch deshalb war die Stimmung auf dem EU-Afrika-Gipfel in Abidjan im Dezember 2017 eisig. Einwanderungsquoten, die helfen könnten, lehnt die EU dagegen bisher ab.
Wie Afrika sich aus eigener Kraft erneuern kann, zeigt indes das Beispiel Gambia. Der westafrikanische Staatenbund ECOWAS schaffte es im Januar 2017, den diktatorisch regierenden Yahya Jammeh aus dem Land zu zwingen und den Wahlsieg des jungen Oppositionsführers Adama Barrow anzuerkennen. Der anfängliche Jubel ist der Erkenntnis gewichen, dass auch Barrow die Probleme des Landes nicht über Nacht lösen kann. Die erhoffte Unterstützung aus dem Westen für die Kräfte des friedlichen Wandels blieb indes weitgehend aus.
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