Chebli will Pflichtbesuche in KZ-Gedenkorten

SPD-Staatssekretärin will Gedenkstättenfahrten in Lehrplänen von Integrationskursen verankern

  • Jérôme Lombard
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Berliner Staatssekretärin für bürgerschaftliches Engagement, Sawsan Chebli (SPD), hat sich dafür ausgesprochen, den Besuch von KZ-Gedenkstätten für Deutsche und Migranten zum Pflichtprogramm zu machen. »Ich fände es sinnvoll, wenn jeder, der in diesem Land lebt, verpflichtet würde, mindestens einmal in seinem Leben eine KZ-Gedenkstätte besucht zu haben«, sagte Chebli in einem Interview. Dies gelte »auch für jene, die neu zu uns gekommen sind«. Sie sprach sich dafür aus, den Besuch ehemaliger Konzentrationslager in den Lehrplänen von Integrationskursen zu verankern.

Chebli, die palästinensische Wurzeln hat, ergänzte, dass sie bei der dritten Generation muslimischer Einwanderer eine besorgniserregende Entwicklung beobachte. »Sie tut sich deutlich schwerer mit der Identifikation mit Deutschland als meine Generation. Das hat nicht nur, aber auch etwas mit Diskriminierungs- und Ablehnungserfahrungen zu tun«, so Chebli. Wenn sich der emotionale »Rückzug« dieser jungen Leute verfestige, sei das problematisch. Das Gedenken an die NS-Verbrechen könne helfen, eine positive deutsche Identität zu entwickeln, sagte sie.

Sigmount Königsberg, Antisemitismusbeauftragter der Jüdischen Gemeinde Berlin, begrüßte Cheblis Initiative. »Der Besuch von KZ-Gedenkstätten im Rahmen des Schulunterrichts und in Integrationskursen ist absolut sinnvoll«, sagte er dem »nd«. Es sei aber wichtig, dass die Besuche inhaltlich ausführlich vor- und nachbereitet würden. Nur so könne ein früheres KZ in den historischen Kontext der nationalsozialistischen Verfolgung eingeordnet werden.

»Es ist äußerst begrüßenswert, wenn die Wichtigkeit von Gedenkstättenbesuchen nicht nur von jüdischer Seite betont wird«, sagte Königsberg. Im November des vergangenen Jahres hatte sich der Zentralrat der Juden dafür ausgesprochen, KZ-Gedenkstättenbesuche für höhere Schulklassen bundesweit zur Pflicht zu machen.

In Gedenkstätten werde sichtbar, »wohin die Diskriminierung und Verfolgung einer Minderheit im Extremfall führen« könne, sagte Zentralratspräsident Josef Schuster damals. Für Schüler mit Migrationshintergrund, die aus ihrer Familiengeschichte heraus keine Berührungspunkte zum Nationalsozialismus hätten, sei der Besuch ebenfalls sinnvoll. Die Verankerung von KZ-Besuchen im Lehrplan sei zudem wichtig, um den in der Gesellschaft weiterhin vorhandenen Antisemitismus bekämpfen zu können, sagte Schuster.

Das sieht auch Maya Zehden, stellvertretende Vorsitzende der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Berlin und Brandenburg (DIG), so. »Eine Gedenkstättenfahrt wird den Antisemitismus nicht aus der Welt schaffen«, sagte Zehden. Er könne aber helfen, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, wohin Diskriminierung in letzter Konsequenz führen kann. »Der Besuch einer Gedenkstätte bringt aber nur dann etwas, wenn er auch allgemeiner thematisiert wird«, so Maya Zehden.

Der scheidende Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, Günter Morsch, sieht die Idee von Pflichtbesuchen hingegen kritisch. »Nicht zuletzt die Erfahrungen in der DDR haben gezeigt, dass diese Form von ›Zwangspädagogik‹ häufig kontraproduktiv wirken und das historische Lernen eher verhindern als befördern«, sagte Morsch dem Evangelischen Pressedienst. Er appellierte an den Senat, bessere Bedingungen für Gedenkstättenbesuche von Schulklassen zu schaffen.

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