Indien hofft auf neuen Wachstumsschub
Das Land könnte 2018 fünftstärkste Wirtschaftsmacht der Welt werden
Indiens Premierminister Narendra Modi hat ein Jahr hinter sich, das alles andere als berauschend war: Das Wirtschaftswachstum seines Landes fiel auf unter sechs Prozent, den Titel als dynamischste große Volkswirtschaft musste Indien abgeben. Das traf Modi, der den Indern ökonomischen Aufstieg versprochen hatte: Seine Partei schrammte auch wegen der mauen Bilanz im Dezember nur knapp an einer Niederlage vorbei - in Modis Heimatstaat Gujarat.
Doch mit dem Jahreswechsel hat Modi nun guten Grund, auf einen Stimmungswandel zu hoffen. Denn zumindest eine gute Nachricht scheint festzustehen: Laut Ökonomen des britischen Forschungsinstituts CEBR wird Indien in diesem Jahr zur fünftgrößten Volkswirtschaft der Welt aufsteigen und damit die europäischen Schwergewichte Frankreich und Großbritannien hinter sich lassen. Zudem zieht auch die Konjunktur offensichtlich wieder an: Das Forschungsinstitut Economist Intelligence Unit rechnet damit, dass das Bruttoinlandprodukt der Inder in diesem Jahr wieder auf deutlich über 7 Prozent steigen wird. Indien würde damit China, den großen Rivalen im Norden, erneut hinter sich lassen.
Modi könnte die positiven Nachrichten gut gebrauchen: In einem Jahr will sich der Politiker, der 2014 mit seiner Partei BJP an die Regierungsspitze kam, bei den Parlamentswahlen eine zweite Amtszeit sichern. Doch umstrittene Reformen hatten seine Popularität zuletzt deutlich angekratzt. Wie unzufrieden die Inder wirklich sind, wollte Modi bei den Wahlen in Gujarat herausfinden - er hatte sie zu einer Abstimmung über sich selbst gemacht.
Zwei Wochen lang zog der indische Premier durch Gujarat und sprach auf 34 Kundgebungen. Modi kennt die Region gut, von 2001 bis 2014 war er dort Regierungschef - und nutzte jede Gelegenheit, um daran zu erinnern: »Gujarat ist meine Seele und meine Mutter«, sagte er in einer Rede. »Ihr könnt mich deshalb euren Bruder nennen.«
Die Verbrüderungsversuche funktionierten aber nur zum Teil: Modis BJP gewann zwar wieder eine Mehrheit, aber deutlich knapper, als es der Parteiführung lieb war: Über ein Dutzend Sitze verlor die Partei an die Opposition - für Modi ein Warnsignal, die Zuneigung seiner Anhänger nicht überzustrapazieren. Denn Modi hat den Indern die Zustimmung zu seiner Politik zuletzt nicht gerade leicht gemacht: Vor etwas mehr als einem Jahr ließ er mehr als 90 Prozent des gesamten Bargeldes entwerten. Die Hauruckaktion sollte eigentlich der Schwarzgeldbekämpfung dienen. Sie löste aber wirtschaftliche Turbulenzen aus, weil die neuen Scheine quälend langsam ihren Weg zur Bevölkerung fanden und der private Konsum dadurch einbrach.
Modi beließ es dabei aber nicht: Im Sommer setzte er die größte Steuerreform in Indiens Geschichte in Kraft - mit Einführung einer landesweiten Mehrwertsteuer. Vor allem kleine und mittlere Betriebe kommen mit den neuen Steuerformularen nur schwer zurecht. Beobachter erwarten nun, dass sich Modi vor seiner Kandidatur zur Wiederwahl mit weiteren Reformen zurückhalten wird. »Die Regierung steht vor der Versuchung, nun die Wähler zu besänftigen«, kommentiert der Analyst Jayant Manglik.
Die Opposition bringt sich unterdessen in Stellung. Im Dezember kürte die traditionsreiche Kongresspartei Rahul Gandhi, Mitglied der Nehru-Gandhi-Politikerdynastie, zu ihrem neuen Chef. In Gujarat gelang dem 47-jährigen Sohn, Enkel und Urenkel indischer Regierungschefs bereits ein Achtungserfolg: Seine Partei legte kräftig zu. Lob kam sogar von Modis Parteifreunden: Der prominente BJP-Politiker Shatrughan Sinha stellte fest: »Wir müssen anerkennen, dass Gandhi alle Erwartungen übertroffen hat.«
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