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- Debatte nach MeToo
Gottschalk weiß nicht, wie man nicht sexistisch spricht
TV-Moderator hat Angst vor Gedächtnisschwund durch politische Korrektheit / Tweet löst scharfe Kritik aus
Viereinhalb Millionen #metoo-Postings gingen seit Oktober 2017 über Twitter. Diese Zahl zeigt, wie machtvoll die Debatte über sexualisierte Gewalt und sexuelle Belästigung den gesellschaftlichen Diskurs in insgesamt 85 Nationen eroberte. Etwas zu machtvoll, wenn es nach den Verteidigern der alten Geschlechterordnung geht. Kaum verliert die Diskussion an Fahrt, kaum gehen täglich nicht mehr Hunderte Tweets mit Geschichten über Belästigung, Missbrauch oder Vergewaltigung über den Äther, kommen die Antifeministen aus ihren Löchern – und jene, die einfach nichts am Geschlechterverhältnis ändern wollen. Und sei es aus Faulheit.
Ganz vorne mit dabei: der TV-Moderator und aus »Wetten, dass…?« bekannte professionelle Kniefasser Thomas Gottschalk. Der äußerte am Mittwoch seine Angst, gar nichts mehr sagen zu können – wenn es nicht sexistisch oder politisch unkorrekt sein darf. »Bis ich gecheckt habe ob es missverständlich, übergriffig, unsensibel oder political incorrect ist«, schreibt der »Herbstblonde«, »habe ich vergessen was ich sagen wollte.« Scheinbar ermutigte die Kritik der französischen Schauspielerin Catherine Deneuve Gottschalk dazu, jetzt auch mal was zu #metoo zu sagen.
Der darauf einsetzende kleine Shitstorm hatte es dann mitunter auf das Alter des Entertainers abgesehen. »Gegebenenfalls RAM nachrüsten«, antwortete etwa der deutlich jüngere Entertainer Jan Böhmermann in Anspielung auf veraltete Festplatten mit stark begrenzem Speicher. Eine politisch schärfere Kritik an Gottschalks Tweet verfasste eine andere Nutzerin: »Ist halt schon anstrengend wenn man sich als privilegierter weißer Mann endlich darüber Gedanken machen muss, was man so sagt.« Die scharfe Kritik in den Kommentaren kann aber nicht darüber hinweg täuschen, dass Gottschalk für sein Posting bis Donnerstagvormittag schon fast 5000 likes erhalten hat. Es schunkelt sich gut im Post-metoo-Blues. Deneuve hat zum Tanz geladen.
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