Jagdszenen und nackte Gewalt

G20-Demonstranten wollen ihre Freiheitsrechte vor Gericht bestätigen lassen

  • Florian Kastl
  • Lesedauer: 3 Min.

Dass es im Zuge von G20 zu massiven Grundrechtseingriffen kam, davon sind der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein sowie das Komitee für Grundrechte und Demokratie überzeugt. Sie unterstützen deshalb die Klagen von vier DemonstrantInnen gegen die Hansestadt Hamburg. Anhand von Einzelfällen soll diese Auffassung nun auch vor Gericht bestätigt werden, wie nun auf einer Pressekonferenz erläutert wurde.

Der erste dieser Fälle bezieht sich auf das ursprünglich geplante Protestcamp im Hamburger Stadtpark. Rechtsanwalt Martin Klinger, der Fred Lion von der Camp AG vertritt, sieht hier einen von vornherein deutlichen Unwillen seitens der Behörden, Protest überhaupt zu ermöglichen. Den Organisatoren seien immer wieder Steine in den Weg gelegt worden, eine Genehmigung sei aufgrund erwarteter Rasenschäden nicht erfolgt.

»Als im September dann die Rolling Stones in genau diesem Stadtpark auftraten und eine kaputten Rasen hinterließen, war von solchen Vorwürfen keine Rede mehr«, so der Anwalt. Das Camp sollte nach langem Hin und Her schließlich auf die Halbinsel Entenwerder verlegt werden - wo ein massives Polizeiaufgebot nicht nur den Aufbau des Schlafcamps verhinderte, sondern darüber hinaus eine positive Entscheidung des Verwaltungsgerichts Hamburg schlichtweg ignorierte. »Das war ein Putsch der Exekutive gegen die Judikative« sagt Martin Klinger, »wir werden beweisen, dass dieser Einsatz rechtswidrig war«. Dass die SoKo Schwarzer Block nun im Nachhinein auch noch begonnen habe, Ordnungswidrigkeits- und Strafverfahren gegen die CampteilnehmerInnen einzuleiten, sei der »Gipfel der Unverschämtheit«, so Klinger weiter. Nun sollen Gerichte entscheiden, notfalls auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte.

Auch beim Protestcamp im Altonaer Volkspark habe man sich massiver Schikane seitens der Polizei ausgesetzt gesehen, ergänzt Anwältin Ulrike Donat, die ihren Mandanten Carsten Orth, Anmelder des Camps, vertritt. »Wir fühlten uns von den Behörden verarscht«, sagt sie zum Kampf um die Genehmigung des Camps. Beim Aufbau sei man außerdem massiv behindert worden, jede Einsatzhundertschaft habe den Versammlungsbescheid aufs Neue für sich interpretiert. »Leute, die Zahnbürsten dabei hatten, wurden mit Verweis auf angebliche Übernachtungsutensilien nicht hineingelassen«, so Donat weiter. »Die Polizei hat die Grundrechte mit Füßen getreten. Sie sagt mittlerweile, wo es lang geht. Da wird mir angst und bange.«

Die dritte Klage wird im Namen von Sabine Lassauer von Attac Köln geführt. Sie war Teil des so genannten roten Fingers, eine der Gruppen, welche die Protokollstrecken der Gipfelteilnehmer friedlich blockieren wollten. Die Gruppe sei ohne vorherige Ansprache von einer Einsatzhundertschaft der Polizei attackiert worden, Lassauer selbst war zu Boden gegangen und hatte eine Platzwunde am Hinterkopf davongetragen - vermutlich von einem Schlagstock. Anhand von Videoaufnahmen untermauerte sie gemeinsam mit ihrem Anwalt Dieter Magsam diese Vorwürfe, der diese als Jagdszenen zusammenfasst: »Hier wurde nackte Gewalt angewendet.«

Ebenfalls aus dem Bündnis Attac stammt Achim Heier, der von Anwältin Waltraut Verleih vertreten wird. In insgesamt drei Einzelklagen möchten beide seitens des Verwaltungsgerichts feststellen lassen, dass geplante Performance- und Kunstaktionen des Bündnisses hätten stattfinden dürfen. Aufgrund der vorher erlassenen Allgemeinverfügung aber war dies nicht möglich, auch die Begründung hierzu sei hanebüchen gewesen und fußte teilweise auf Wikipedia-Einträgen. Gemeinsam möchte man nun mit den Klagen gegen die Freie und Hansestadt Hamburg bestätigt wissen, dass Grundrechte massiv eingeschränkt wurden. Dies stellt einen Präzedenzfall auch für die Beteiligten dar. Eine Stellungnahme lehnte der Senat bisher ab, sodass die Klagen nun bei Gericht eingereicht werden können. »Wir wollen einfach eine juristische Klärung dieser Sachverhalte«, so Martin Klinger, »der Freiheitsraum muss wieder neu definiert werden«.

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