Äthiopien - ein Urlaubsland?

Lucy, Lalibela und lockende Landschaften

  • Silvia Ottow
  • Lesedauer: 5 Min.
Will der Reiselustige Äthiopien, dem Land mit einer der ältesten Kulturen der Welt mit fast dreitausend Jahren auf dem Buckel, einen Besuch abstatten, empfiehlt es sich, in der Hauptstadt zu starten. Addis Abeba bedeutet auf Amharisch - das ist eine der wichtigsten Sprachen des Landes - »Neue Blume«. 2200 Meter hoch in einem Kessel liegt die Stadt. Auch in den heißesten Monaten empfängt sie morgens, wenn die meisten europäischen Jets Geschäftsreisende oder Abenteurer nach acht Stunden Überseeflug ausspucken, mit Nebel. Über den Häusern und im Kopf. Verursacht die Höhe den leichten Druck? Sind es die Nachwirkungen der ungesunden Kabinenluft oder die kleinen Rauchsäulen der Holzfeuer, die sich am Rand der Hochhäuser in den Himmel kräuseln?Oder die Flut der Eindrücke, die auf den afrikafremden Touristen einstürzen? Wahrscheinlich alles zusammen. Auf dem Flughafen Bole International Airport, einem von über 50 im Land, glaubt man angesichts der Menschen zunächst, irgendwo in China gelandet zu sein. Gibt es denn hier gar keine Äthiopier? Doch, am Einreiseschalter, bei der Passkontrolle, am Taxistand, im Hotel - als Servicekräfte für die vielen Chinesen, die ins Land kommen. Die stecken Geld in den Häuserbau, errichten Straßen und Fabriken, machen Geschäfte und bevölkern demzufolge die Herbergen und Flughäfen.

Allerdings nicht zur Freude der Einheimischen, die am Rande der Hauptstadt und anderswo brutal von ihrem Grund und Boden vertrieben werden, wenn reiche Investoren diesen haben wollen. Wo sie unterkommen, und wovon sie und ihre Familien leben sollen, interessiere dann niemanden mehr, erzählt der Taxifahrer Teshome. Er berichtet von Hunderten jungen äthiopischen Männern, die sich in Saudi-Arabien verdingt hätten und nach Monaten schwerster Arbeit, ohne Lohn zu erhalten, des Landes verwiesen worden seien. Sie trauten sich aus Scham über diese Schmach nicht zu ihren armen, hungernden Familien zurück und vegetierten fortan weit weg von ihnen dahin. Teshome verdingt sich von Zeit zu Zeit als Lastwagenfahrer und bringt Waren aus Addis in den 760 Kilometer entfernten großen Containerhafen von Dschibuti am Indischen Ozean. Dann ist er tagelang unterwegs und sieht weder Frau noch Kind.

Neben Kaiser Haile Selassie, der 44 Jahre in Äthiopien regierte, bis er 1975 nach einem Militärputsch vermutlich ermordet wurde, oder dem legendären Marathonläufer Abebe Bikila hat es auch eine Frau aus dieser Region zu Weltruhm gebracht: Lucy.

Allen dreien ist gemeinsam, dass lediglich ihre Gräber besucht werden können, wobei Lucy eindeutig am privilegiertesten ist. Ihre Knochen liegen unter Glas im National Museum in der King George Street. Zehn Birr Eintritt muss bezahlen, wer sie sehen möchte. Das sind etwa 50 Cent. Die Einheimischen nennen die wohl nur einen Meter große, auf 25 Jahre geschätzte Dame zärtlich ihre »Liebliche« oder »Wundervolle«. Spektakulär ist ihr Alter: 3,2 Millionen Jahre, ein Frühmensch der Art Australopithecus afarensis. Beckenbau und Oberschenkelstruktur zeigen Anpassungen an den aufrechten Gang. Und warum dieser gänzlich unäthiopische Name? Der US-amerikanische Forscher Donald Johnson hatte Lucys Überreste am 30. November 1974 im nordöstlich gelegenen Hadar entdeckt, in einer Fundstätte zahlreicher Fossilien, deren Herkunft und Alter ziemlich genau bestimmt werden konnten, weil mehrere Ascheschichten von Vulkanausbrüchen darüber lagen, die man ganz genau zuordnen konnte. Johnson liebte aber nicht nur die Archäologie, sondern auch die Beatles. Weil er gerade deren Hit »Lucy in the Sky with Diamonds« im Ohr hatte, als er die Reste der kleinen Gestalt in die Finger bekam, nannte er sie Lucy. Untersucht wurden die Knochen übrigens in den USA, erklärt der Museumsangestellte. Um dann anzuschließen, dass diese vor über einem Jahrzehnt auch wieder dorthin gebracht worden seien. Im Houston Museum of Natural Science durfte man sie einige Jahre bestaunen. Und das Nationalmuseum von Addis Abeba konnte die Dollars für diese Art der Kunstausleihe gut gebrauchen. Inzwischen steht der interessierte Besucher wieder vor den Originalgebeinen der womöglich ältesten Frau der Welt.

Auf das »Dach Afrikas« sollte der Reisende nicht unvorbereitet fliegen. Es ist weit, es ist warm, und es zählt in seinem Hochland zahlreiche Viertausender. Neben sehenswerten Kulturstätten und offenherzigen Äthiopiern fühlen sich hier auch einige Krankheitserreger wohl, denen der Globetrotter mit Touristenvisum sicher keine Chance zu Übergriffen bieten möchte. Also sollte das Unternehmen in einem Tropeninstitut beginnen, wo man gegen Gelbfieber oder Typhus geimpft wird - je nachdem, in welche Ecke des rund 1,1 Millionen Quadratkilometer großen Landes die Reise gehen soll und ob man die Seen mit ihren Flamingos und viele Dörfer besuchen oder sich vor allem in Hotels aufhalten möchte. Zu empfehlen ist ebenfalls ein Blick in die Informationen des Auswärtigen Amtes. Dieses hält es derzeit nicht für angebracht, sich in die Grenzgebiete der Oromo- und Somali-Regionen zu begeben, wo es seit Anfang 2017 gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen beiden Volksgruppen gibt. Für Besuche im antiken Axum mit seinem Stelenpark und dem Bad der Königin Saba, bei den außergewöhnlichen Felsenkirchen von Lalibela oder in einem der zahlreichen Naturparks des Nordafrikanischen Grabenbruchs, den Astronauten sogar aus dem Weltall sehen können, gibt es keine Einschränkungen.

Gut beraten sind Reisende, die mit einem einheimischen Begleiter unterwegs sind. Das lässt sich vor Ort organisieren, aber auch von Deutschland aus. Bei My Choice Ethiopia Tour, einem äthiopischen Reiseveranstalter, findet man sogar deutschsprachige Begleitung.

Infos

Reiseveranstalter:
Choice Ethiopia Tour www.mychoiceethiopiatour.com

Pauschalreisen bieten u.a. an: a&e Erlebnisreisen, Hamburg; Diamir, Dresden; Studiosus, München

Reiseliteratur:
Heiko Hooge, »Äthiopien«, Iwanowskis Reisebuchverlag, 605 Seiten, Landkarte, Tourempfehlungen, Downloads, 2017 aktualisiert; 26,95 €.
Beste Reisezeit:
Äthiopien kann das ganze Jahr über gut besucht werden.
Trocken- und Regenzeiten sind je nach Landesteil unterschiedlich.

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