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Der Obdachlose 2.0
Fast 20.000 folgen einem Pariser Obdachlosen auf Twitter - mit seinen Tweets hat er schon kleine Verbesserungen bewirkt
Paris. Das Smartphone von Christian Page ist alt, und der Bildschirm hat einen Sprung. Doch mithilfe dieses Handys ist der 45-Jährige berühmt geworden - trotz Armut und Obdachlosigkeit. Auf Twitter berichtet er unter dem Namen @Pagechris75 über das Leben auf den Straßen von Paris und findet damit riesigen Zuspruch. Fast 20.000 Anhänger hat Page inzwischen. »Ich bin ein Obdachloser 2.0«, sagt er.
Bis vor ein paar Jahren arbeitete Christian Page als Oberkellner in einem noblen Restaurant und bewirtete Promis. Doch dann warf ihn die Scheidung von seiner Frau aus der Bahn. Er wurde depressiv. »Ich konnte die Menschen nicht mehr anlächeln«, erinnert er sich. Page kündigte, lebte von 545 Euro Sozialhilfe und flog im April 2015 aus seiner Wohnung. Seither lebt er auf der Straße.
Das Schlechte und Gute, das ihm dort widerfährt, teilt er mit seiner Fan-Gemeinde auf Twitter. Das erste Mal für Aufsehen sorgte im November 2016 seine Kurzbotschaft über einen städtischen Straßenreiniger, der ihn im Morgengrauen mit eiskaltem Wasser abspritze. Obwohl Page damals nur sechs Follower hatte, erreichte die Meldung die sozialistische Bürgermeisterin Anne Hidalgo. Sie entschuldigte sich bei Page und schenkte ihm einen neuen Schlafsack.
An Weihnachten stellte er ein Foto online: Es zeigt die Absperrgitter, die die Stadt rund um die Abzugsschächte im Nordosten von Paris errichtet hat - um zu verhindern, dass Obdachlose sich an der Abluft wärmen. 2000 Mal wurde der Tweet geteilt - und die Stadtverwaltung versprach schließlich, die Absperrungen wieder zu entfernen.
»Twitter ist keine Waffe, aber wirkungsvoll«, sagt Page. »Ich freue mich, wenn meine Botschaften ankommen. Vielleicht bekommt ein Obdachloser am anderen Ende Frankreichs dadurch ein belegtes Brot.« Als Sprecher der mehr als 140.000 Wohnungslosen in Frankreich sieht er sich jedoch nicht.
Page nutzt das soziale Netzwerk, um das Elend der Obdachlosen und Versäumnisse der Politik anzuprangern - und sich mit dem zu versorgen, was er braucht. Twitter-Anhänger schenken Page Klamotten und Schuhe, einer überließ ihm während der Weihnachtsfeiertage sogar seine Wohnung.
Aber noch viel wichtiger sind Page die Kontakte mit anderen Menschen via Twitter. Sie gäben ihm »das Gefühl, zu existieren«, sagt er. »Morgens ein 'Hallo Christian', abends eine 'Gute Nacht'. Das klingt blöd, aber es sind diese kleinen Botschaften, die mich berühren.«
Nach seiner Depression hat Page inzwischen wieder Hoffnung für sein Leben. Er ist zuversichtlich, von der Straße weg zu kommen. »Alles ist möglich«, sagt er. »Mit dem Glück, das ich im Moment habe, sollte ich Lotto spielen.« afp/nd
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