Solidarität mit der türkischen Zivilgesellschaft

Bündnis von Eine-Welt-Organisationen diskutiert mit Menschenrechtsaktivist Peter Steudtner

  • Johannes Vogel
  • Lesedauer: 3 Min.

Die türkische Zivilgesellschaft leidet derzeit unter massiven Menschenrechtsverletzungen. Nach Schätzungen des Vereins Zeitgenössischer Journalisten (ÇGD) sitzen derzeit 143 Journalist*innen in türkischen Gefängnissen. Neben bekannteren Fällen wie Deniz Yücel, die inzwischen freigekommenen Meşale Tolu und den Menschenrechtsaktivisten Peter Steudtner, betrifft dies vor allem die Zivilgesellschaft vor Ort. Schrumpfende zivilgesellschaftliche Räume gibt es aber nicht nur in der Türkei. Laut der Organisation CIVICUS leben gerade einmal drei Prozent der Weltbevölkerung in Staaten mit einem offenen zivilgesellschaftlichen Raum. Für den Berliner Entwicklungspolitischen Ratschlag, die Stiftung Nord-Süd-Brücken, das INKOTA-netzwerk und die Arbeitsgemeinschaft der Eine Welt-Landesnetzwerke in Deutschland (agl) wirft das einige Fragen auf: Was bedeutet globale solidarische Zusammenarbeit zivilgesellschaftlicher Organisationen in Zeiten von »Shrinking Spaces« (schrumpfenden Räumen)? Und wie kann die deutsche die türkische Zivilgesellschaft unterstützen? Diskutiert wurde dies bei der Veranstaltung »Merhaba Zivilgesellschaft« am 10. Januar im Berlin Global Village mit 150 Vertreter*innen zivilgesellschaftlicher Organisationen und interessierten Gästen.

Dass die »desaströse Menschenrechtslage in der Türkei (…) kein Einzelfall« sei, hob der Geschäftsführer des INKOTA-netzwerks, Arndt von Massenbach, in seinem Statement hervor. Als weitere Beispiele führte er Bangladesch und Kambodscha an, wo vor allem Menschenrechts-, Demokratie- und Umweltorganisationen von staatlicher Seite massiv unter Druck gesetzt werden. Ein vergleichbares öffentliches Interesse wie bei verhafteten Deutschen sei auch bei Menschenrechtler*innen aus anderen Ländern wünschenswert.

Persönliche Erfahrungen konnte der Menschenrechtsaktivist Peter Steudtner beitragen. Im Juli 2017 war er im Zuge eines viertägigen Workshops mit neun weiteren Menschenrechtler*innen in der Türkei festgenommen worden und erst vier Monate später wieder freigekommen. Auf die unerwartete Verhaftung, so Steudtner, sei er durch Erfahrungen von Kolleg*innen jedoch vergleichsweise gut vorbereitet gewesen. Geschützt habe ihn zudem sein deutscher Pass. Auch hob Steudtner die Solidarität unter den Häftlingen hervor. So hätten seine Mitgefangenen viel für ihn übersetzt und Treffen mit seinem schwedischen Kollegen im Gefängnisflur arrangiert. Zeitweise hätten sie sogar gemeinsame Workshops auf den Gängen organisiert. In der Isolationshaft sei der Kontakt zu den Mitgefangenen dagegen nur über sieben Meter hohe Mauern oder den Gulli im Hof möglich gewesen. Besonders wichtig seien für ihn in dieser Zeit seine Anwält*innen sowie die Unterstützung der Zivilgesellschaft gewesen.

Vom weiterhin ohne Anklage inhaftierten Deniz Yücel berichtete Stefanie Kron von der Kampagne freedeniz. Dessen verschärfte Einzelhaft sei erst im Dezember gelockert worden, nachdem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die türkische Regierung zu einer Stellungnahme aufgefordert habe. Gleichzeitig sei die öffentliche Solidarität weiter groß. Wer helfen wolle, könne etwa Organisationen wie die türkischen »Academics for Peace« (Akademiker für Frieden) unterstützen und an Solidaritätskundgebungen teilnehmen, so Kron.

In diesem Sinne endete auch »Merhaba Zivilgesellschaft« mit einer gemeinsamen Solidaritätsaktion. Auf einer Wandzeitung konnten die Anwesenden ihre Grüße und Aufmunterungen für Deniz Yücel hinterlassen, die nun ins Türkische übersetzt und an die Strafvollzugsanstalt Silivri geschickt werden.

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