Noch 40 Jahre Schlaglochpisten
Sachsen-Anhalts Kommunen wollen zusätzliche Aufgaben bezahlt bekommen
In Sachsen-Anhalt gibt es exakt 4251,3 Kilometer Kreisstraßen. Viele davon sind löchrig, bröckeln an den Rändern oder führen über marode Brücken. Um sie zu flicken, wären über 800 Millionen Euro notwendig. Das Land stellt für die Sanierung aber pro Jahr nur 21,5 Millionen Euro zur Verfügung. Rechnerisch würde es also fast 40 Jahre dauern, bis die Schäden behoben wären. Die Kommunen fordern vom Land deshalb einen Kraftakt. 80 Millionen Euro, sagt der Salzwedeler Landrat Michael Ziche, solle die Regierung bereitstellen. Angesichts der guten Jahresabschlüsse, die der Finanzminister derzeit vorlegen könne, »wäre das keine utopische Summe«.
Dass Kommunen vom Land mehr Geld fordern, ist nichts Ungewöhnliches. Klagen über eine unzureichende Finanzausstattung gehören bei Landräten und Bürgermeistern vielmehr zum Standardrepertoire. In Sachsen-Anhalt sind sie im vergangenen Jahr immerhin deutlich leiser geworden: »Wir sagen nicht mehr so oft, das Land sei an allem schuld«, sagt Lutz Trümper, der SPD-Oberbürgermeister von Magdeburg und Präsident des Städte- und Gemeindebundes im Land. Grund dafür ist ein neues Gesetz über den Finanzausgleich (FAG), das Anfang 2017 in Kraft trat. Es sichert den Kommunen 1,628 Milliarden Euro an Zuweisungen. Die Regelung »hat sehr geholfen«, sagt Ziche, der auch Präsident des Landkreistages ist.
Allerdings wird den Kommunen das Geld, das ihnen in die eine Tasche gesteckt wurde, aus der anderen wieder herausgezogen. Parallel zur FAG-Novelle habe es Entwicklungen gegeben, die für die Kommunen sehr kostspielig waren, sagt Ziche. Der CDU-Politiker nennt etwa neue Regeln für den Unterhaltsvorschuss. Weil sich die Anzahl der Anträge danach verdoppelte, musste mehr Geld ausgezahlt und zusätzliches Personal eingestellt werden; die Kosten von 25 Millionen Euro sind im FAG nicht berücksichtigt. Die Absenkung der »Ostmilliarde«, mit der die Bundesregierung einen Ausgleich für hohe Sozialausgaben gewährt, kostete die Landkreise weitere 42 Millionen Euro.
Und auch die Kinderbetreuung ist für sie noch immer ein Fass ohne Boden. Zwar hat Sachsen-Anhalts Landtag kürzlich eine erste Novelle des Kinderförderungsgesetzes (Kifög) beschlossen; die Regierungskoalition aus CDU, SPD und Grünen lobt sich seither dafür, den Kommunen 30 Millionen Euro zusätzlich für ihren Anteil an den Betreuungskosten zu überweisen. Doch die Entwicklung sei »nicht so positiv, wie sie gern dargestellt wird«, sagt Trümper. Schließlich zweige das Land gleichzeitig 22 Millionen aus dem vom Bund überwiesenen Betreuungsgeld ab; unterm Strich erhalten die Kommunen also nur acht Millionen Euro mehr. Gleichzeitig gehen die Kosten in Städten wie Magdeburg durch die Decke, weil viele Menschen mit Kindern zuziehen. Die Kommunen verlangen deshalb, das »Konnexitätsprinzip« stärker zu beachten. Es besagt, dass Aufgaben, die das Land an Landkreise, Städte und Gemeinden überträgt, auch von diesem zu bezahlen sind. Zudem drängt Ziche darauf, dass Mittel, die der Bund überweist, an die Kommunen weitergereicht werden, wenn diese die entsprechenden Aufgaben erledigen. Anderenfalls würden die »Erfolge des Finanzausgleichs belastet«, heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme der beiden kommunalen Spitzenverbände, also Städte- und Gemeindebund und Landkreistag.
Eine Anhebung der im FAG vorgesehenen Ausgleichsmasse fordern die Verbände ausdrücklich nicht. Ziche verweist darauf, dass das Gesetz bis 2021 gilt. Es wird aber darauf verwiesen, dass auch das FAG nicht geholfen habe, den Schuldenberg der Kommunen abzutragen. Deren Kassenkredite summieren sich auf knapp 1,4 Milliarden Euro.
Damit sie nicht ewig auf diesen Schulden sitzen bleiben, regen die Verbände angesichts der derzeit günstigen Lage an den Kapitalmärkten eine gemeinsame Anstrengung von Land und kommunaler Ebene an. Gelänge es, einen gemeinsamen Fonds zu gründen und über diesen jährlich 40 Millionen Euro aufzubringen, könnten die Kredite binnen 30 Jahren getilgt werden - deutlich schneller also, als beim bisherigen Tempo die Sanierung aller Kreisstraßen dauert.
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