Teufel wider Willen

Tristan Garcia über einen seltsamen Charakter

  • Fokke Joel
  • Lesedauer: 3 Min.

Er war eine Lichtgestalt ihrer Kindheit und Jugend: Faber. Vor 15 Jahren hat Madeleine ihn aus den Augen verloren. Um ihn zu treffen, fährt sie ins Tal von Aulac. Erst findet sie den Weg nicht. Es scheint, als ob ihr Unbewusstes sie von der Begegnung abhalten will ...

Zunächst aber geht es in dem Roman des französischen Schriftstellers und Philosophen Tristan Garcia um Fabers Kindheit. Als Achtjähriger taucht er an Basiles und Madeleines Schule in der Provinzstadt Mornay auf. Nachdem seine Eltern bei einem Autounfall ums Leben kamen, zieht er zu Pflegeeltern in die Stadt. Bereits am ersten Tag in der Schule wird Basile sein Anhänger. Faber gelingt es, den schüchternen Jungen aus den Fängen eines sadistischen Klassenkameraden zu befreien. Kurz darauf ist er die unumstrittene Autorität auf dem Schulhof. Zusammen mit Madeleine, Basiles Freundin, bildet sich ein unzertrennliches Trio. Als Faber dann signalisiert, dass er bei seiner Pflegefamilie bleiben will, macht er das nicht aus Zuneigung. Das zumindest meint Basile. Er wollte bleiben, »weil er uns gefunden hatte, Madeleine und mich, und weil er zum ersten Mal Angst hatte, etwas zu verlieren«.

Der Junge beeindruckt alle, liest viel, kennt die neuesten Musik-Trends. Die Schule fällt ihm leicht. Er weiß mit Erwachsenen umzugehen, die ihn ebenso lieben, aber alle seine Beziehungen beruhen auf der Bewunderung der anderen und nicht auf ebenbürtiger Freundschaft. Immer wieder tritt auch seine dunkle Seite zum Vorschein. Kaltblütig zerstört er das Leben eines unbeliebten, psychisch labilen Mathelehrers. Als mitreißender Anführer organisiert er die Besetzung des Gymnasiums im Rahmen von Protesten gegen Reformpläne der französischen Regierung. Nach dem Scheitern der Revolte wird er der Schule verwiesen und verschwindet aus Mornay.

Als Madeleine ihn schließlich im Tal von Aulac findet, ist er völlig heruntergekommen. Der brillante Geist, der alle faszinierte und von dem alle annahmen, er brächte es einmal zu einem großen Künstler oder Politiker, lebt in einer baufälligen Hütte. Seine Haut ist mit Ekzemen übersät, und er stinkt. Trotzdem spürt Madeleine die einstige Anziehung. Sie packt ihn in ihr kleines Auto und fährt zurück nach Mornay, wo die Kata-strophe ihren Lauf nimmt ...

Tristan Garcia erzählt geschickt sowohl aus der Perspektive von Faber selbst als auch von Basile, Madeleine und am Ende von einem Tristan, der das von Basile verfasste Romanmanuskript beendet. Das Verstörende ist die ungeheure Ambivalenz, die sich in der Figur Fabers ausdrückt. Intellektueller Kopf und charismatischer Anführer, Verräter und Zerstörer, der sich dessen bewusst ist und darunter leidet. Manche meinen, sagt Tristan am Schluss, »Faber sei ein Teufel wider Willen, eine vollkommen negative Macht, aber in menschlicher Gestalt. Und wie alles, was sich verkörpert, ist der Teufel auch ein Individuum. Mit Fabers Zügen ausgestattet, haben einige von uns, die Sensibelsten, Mitleid mit ihm bekommen und ihn geliebt.«

Tristan Garcia: Faber. Der Zerstörer. Aus dem Französischen von Birgit Leib. Wagenbach, 432 S., geb., 24 €.

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