Aus für den Flughafenneubau
Frankreich kippt Großprojekt in Nantes / Regierung scheut gewaltsame Konfrontation mit den Aktivisten
Das Projekt für den Neubau eines großen Flughafens für den Westen Frankreichs in Notre-Dame-des-Landes bei Nantes ist von der französischen Regierung aufgegeben worden. »Die Bedingungen sind nicht gegeben, um das Projekt friedlich zum Erfolg zu führen«, erklärte Premier Edouard Philippe nach der Ministerratssitzung vom Mittwoch, auf der die Entscheidung gefallen ist. Das Für und Wider in Sachen Flughafenbau reichte bis in die Regierung hinein, in der Umweltminister Nicolas Hulot die Argumente der Gegner vertrat und der aus der Bretagne stammende Außenminister Jean-Yves Le Drian die der Befürworter; während Innenminister Gérard Collomb vor allem der Herausforderung des Staates durch die jahrelange Blockade des Geländes durch gewaltbereite Flughafengegner ein Ende machen wollte.
Statt eines Neubaus, der 940 Millionen Euro gekostet hätte, wird der jetzige Flughafen von Nantes nun mit einem Investitionsaufwand von 465 bis 595 Millionen Euro modernisiert und die Start- und Landebahn um 500 Meter verlängert. Mit dem Baukonzern Vinci, der den Zuschlag für den Bau und den künftigen Betrieb des Flughafens Notre-Dame-des-Landes erhalten hatte, muss aber noch um die Höhe der Abfindung verhandelt werden, die bis zu 350 Millionen Euro betragen kann. Die in Vorbereitung des Flughafenbaus enteigneten 1600 Hektar Ackerfläche werden den Bauern rückübertragen und sollen wieder landwirtschaftlich genutzt werden, betonte der Premierminister.
Damit wird auch die Empfehlung eines von der Regierung eingesetzten Expertengremiums verworfen, die vorsah, das acht Kilometer lange und drei Kilometer breite Gelände für einen eventuellen Flughafenbau in der ferneren Zukunft zurückzuhalten. Die Entscheidung der Regierung wurde von den Flughafengegnern, die für Demonstrationen bis zu 40 000 Menschen aus ganz Frankreich und auch auch aus dem Ausland mobilisieren konnten, als »Sieg der Vernunft« bezeichnet und mit einem Freudenfest gefeiert. Die Aktivisten hatten auf dem Gelände befestigte Hindernisse und ein Hüttendorf errichtet, in dem etwa 150 von ihnen ständig leben.
Die Pläne für einen Großflughafen in Notre-Dame-des-Landes reichen bis in die 1960er Jahre zurück, wurden aber in dem Maße immer stärker kritisiert und bekämpft, wie die Umweltbewegung in Frankreich an Anhängern und Einfluss gewann. Doch im Laufe der Jahre wurden insgesamt 179 Klagen gegen das Projekt von der Justiz abgewiesen und 2016 sprachen sich bei einem Referendum im Departement 55 Prozent der Bürger für den Flughafenbau aus. Die Entscheidung der Regierung wird jetzt von den vor Ort stark verankerten Sozialisten, aber auch von rechten Oppositionspolitikern wie dem in der Region gewählten Senator Bruno Retailleau scharf kritisiert. Der verweist darauf, dass »Emmanuel Macron im Präsidentschaftswahlkampf eine Durchsetzung des Bauprojekts versprochen hat« und dass sein jetziges Einknicken vor gewaltbereiten Flughafengegnern seine »erste große innenpolitische Niederlage« darstelle. Die sozialistische Bürgermeisterin von Nantes, Johanna Rollande, bezeichnet das Einknicken als »Verrat« und erklärt: »Die Regierung tritt die Entscheidung der Mehrheit der Bürger und der Justiz mit Füßen«.
Den Bewohnern des Hüttendorfs lässt Premier Philippe, der eine gewaltsame Räumung und das damit verbundene negative Medienecho vermeiden will, bis Ende März Zeit, freiwillig abzuziehen. Danach werde unter Polizeieinsatz geräumt.
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