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»Thanks, Bernie«
US-Demokrat Bernie Sanders tourt mit seinem Projekt einer Krankenversicherung für alle durchs Land. Von Reiner Oschmann
Nach einem Jahr Trump suchen seine Gegner Linie, Widerstandsthemen und neue Gesichter. Bisher weithin vergebens, sieht man von Lichtblick Bernie Sanders ab. Der ist freilich auch schon 76, noch fünf Jahre älter als Trump. »Politico« kürte ihn kürzlich zum »populärsten Demokraten und beliebtesten aktiven Politiker im Land«. Das war nicht nur eine Verbeugung vor der Sensation, mit der der parteilose Senator aus Vermont 2016 die Muster früherer Wahlkämpfe aufbrach. In den Primaries hatte er auf dem Ticket der Demokraten Favoritin Hillary Clinton erschüttert, 22 Vorwahlen und 13 Millionen Stimmen gewonnen. Das alles trotz langer Stummschaltung durch die überregionalen Medien und trotz Blockade durch den Apparat der Demokraten.
Besonders das Dogma, dass, wer siegen will, keine linken Ideen vortragen darf, kippte Sanders. Mit seiner auf die Ungleichheit im Land gerichteten Kampagne schwang er sich im Spätsommer 2016 zum Anführer der Graswurzelbewegung »Unsere Revolution« auf. Es ging darum, das Ende seiner couragierten Kandidatur nicht zum Ende der Sanders-Bewegung werden zu lassen, seinen motivierten und modern organisierten Anhängern vielmehr neue Ziele zu geben. Wie es sich für eine Graswurzelbewegung gehört, sollte »Our Revolution« nicht in der Schönheit allgemeiner Schwüre sterben, sondern konkrete Verbesserungen im Lebensumfeld, »im Schulbeirat und im Stadtrat, im Parlament und bei der Kandidatur für den Gouverneur des jeweiligen Bundesstaats« bewirken. Wie in Grassroots-Bewegungen ebenfalls üblich, bleibt »Our Revolution« nicht von Meinungsverschiedenheiten, Eifersucht und Streit um Organisationsformen verschont. Während schon die Natur von Graswurzelarbeit selten Schlagzeilen liefert, trägt auch dieser Umstand dazu bei, dass die Sanders-Revolution aktuell die Mühen der Ebene erlebt. Mancher Teilerfolg in Virginia, Vermont oder Nevada wird ihm zugeschrieben (»Thanks, Bernie«). Doch mitunter wirkt er wie ein Häuptling ohne Indianer. Und umgekehrt. Vor allem Junge hat Sanders angeregt. Manche organisieren sich inzwischen selbst. Ohne ihn. Leben eben.
Inhaltlich erinnern die Forderungen seiner Bewegung an Präsident Roosevelts New Deal in den 30er Jahren. Wiewohl er 2016 auf deren Ticket kandidierte, war Sanders nie Mitglied der Demokraten. Auch heute ist er wieder als »unabhängig« registriert. Offen ist, ob er sich 2020 - am Wahltag wäre er 79 - erneut ums Präsidentenamt bemüht.
Sanders hält sich bedeckt und im Gespräch, seit Sommer vor allem mit dem Projekt der universellen Krankenversicherung, einer Gesetzesinitiative für eine staatliche Einheitskrankenkasse (»Medicare for All«). Er und sein Team wissen um das dicke Brett, das sie damit bohren. Doch der Senator hofft, ein Kernthema der Gesellschaftsdebatte gefunden zu haben.
Seit Monaten tourt Sanders durchs Land und versucht, seinen Landsleuten den Gedanken näherzubringen: Gesundheitsversorgung ist ein Recht, kein Privileg. Was eigentlich eine Binse ist, klingt für viele Amerikaner nach Fieberwahn, unerreichbar. Weshalb die Aktivisten geduldig Bürger ermuntern, Mitsponsoren von Sanders’ Plans »Medicare for All« zu werden. Zum Verständnis: Medicare ist seit 1965 ein staatliches Versicherungsprogramm nur für Rentner. Sanders knüpft daran an und wirbt: »Mit Medicare, einer populären Einrichtung, sind die Amerikaner vertraut. Doch es greift erst, wenn man 65 ist. Gott hat aber nirgendwo verfügt, dass 65 das Eintrittsalter ist. Vielmehr sollte Gesundheitsversorgung für jeden in diesem Land da sein.«
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