Ein Sieg für die Ewigkeit
Nach 39 Jahren gewinnt mit Thomas Dreßen wieder ein Deutscher die Abfahrt in Kitzbühel
Die goldene Gams verpflichtet, das muss ein Streif-Sieger sehr schnell erfahren. Thomas Dreßen hat nach einem sehr bewegten Tag mit dem historischen Triumph auf der spektakulärsten Abfahrt der Welt einen anstrengenden Abend hinter sich. Geendet hat die Feier in der Nacht oder vielleicht auch erst am frühen Morgen im legendären Pub »The Londoner«. Ob Dreßen sich wie einst regelmäßig die »crazy Canucks«, die verrückten Kanadier um Ken Read und Steve Podborsky am Mobiliar der Kneipe vergriffen hat, ist nicht überliefert. Aber die für den Abfahrts-Hero des Hahnenkammrennens obligatorische Lokalrunde hat er ausgegeben.
Den Party-Marathon hat der 24-Jährige vom SC Mittenwald, so ist zu hören, ziemlich gut bewältigt. »Ich glaube, das gehört dazu«, sagte er. Dass das nicht alles ist, was sich im Sportlerleben des Thomas Dreßen mit der Fahrt auf der Streif ändern wird, hat am Samstag im Zielraum sein Vorgänger als deutscher Hahnenkammsieger bereits angedeutet. Sepp Ferstl war wie jedes Jahr als Gast beim Hahnenkammrennen geladen und fieberte auf der Tribüne mit Dreßen, später natürlich auch mit Sohn Pepi. »Jetzt geht’s ja erst richtig los. Das ist ein armer Hund, weil er alles durchmachen muss«, sagte Ferstl, der 1978 und 1979 die prestigeträchtige Abfahrt gewonnen hatte. »Das ist ein Mythos, der mir immer noch nachrennt.«
Dreßen ist ein Sieg für die Ewigkeit gelungen. Es spielte keine Rolle, dass er etwas profitiert hat von der Sonne, die kurz vor seinem Start hinter den Wolken herkam. »Er hat wirklich eine gute Fahrt gemacht und durchgezogen, das muss man einfach so anerkennen«, sagte der Schweizer Beat Feuz. »Das hat einen Nachhall«, sagt Wolfgang Maier, Alpinchef im Deutschen Skiverband und glaubt: »Die Olympiasieger sind bei weitem nicht so bekannt wie die Kitzbühel-Sieger.« Vor allem hat Dreßen ein Signal für Olympia gesendet. »Das lässt sich jetzt nicht wegdiskutieren, wenn du Kitzbühel gewinnst unmittelbar vor Olympia, dass du dann einer der Favoriten bist«, weiß Cheftrainer Mathias Berthold, der vor vier Jahren mit der Vision zum DSV zurückgekehrt war, zu Olympia ein konkurrenzfähiges Abfahrtsteam schicken zu können. Allerdings dachte er an Andreas Sander und Josef Ferstl. Am Samstag rundeten Sander als 6. und Ferstl als 20. den guten deutschen Austritt ab.
Dreßen etablierte sich schon in seiner zweiten Saison im Kreis der Besten als Dritter von Beaver Creek und Fünfter von Wengen. Berthold lobt Dreßens Fähigkeit, schnell zu lernen und Dinge umzusetzen, die wichtig sind. Trotzdem schien ihm für einen Coup auf der Streif noch Erfahrung zu fehlen. Mit Ausnahme von Dominik Paris, der 2013 als 23-Jähriger gewonnen hatte, war in dem Jahrtausend kein Fahrer jünger als der Deutsche. Von seinen Trainern bekam er mit auf seine erste zweite Abfahrt in Kitzbühel, »nicht unbedingt total ans Limit zu gehen«. »Er sollte cool bleiben, attackieren, aber nicht hasardieren, weil wir nicht wollen, das Thomas an die hundert Prozent rangeht, sondern dass er in einem Bereich ist, in dem er sicher fühlt.«
Als Dreßen im Ziel abschwang, dachte er beim ersten Blick auf die Zeittafel, »die wollen mich verarschen«. Er kapierte aber schnell, dass ihm Historisches gelungen war. Er schrie seine Freude heraus, ehe er in die Knie ging und innehielt. Es war der Moment, wie er später zugab, an dem er an seinen Vater dachte. Der ist 2005 bei einem Seilbahnunglück in Sölden umgekommen. Der damals zwölfjährige Thomas hatte weitergemacht, für den Vater, der auch sein Trainer gewesen war. »Aber der Dank geht nicht nur nach oben, sondern auch zu meiner Mama. Wenn die mich nicht so unterstützt hätte und hinter mir gestanden wäre, wäre ich jetzt nicht da.«
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