Pack den Büffel in das Bike
Mit robusten Rädern will eine Hilfsorganisation Afrika voranbringen
Was in Sambia als Straße durchgeht, wäre in Deutschland ein schlechterer Feldweg: rotbrauner Staub statt Asphalt, Schlaglöcher und Wurzeln, rechts und links Büsche und Savanne. Diese Strecke fährt Georgina Stimbeko zwei Mal am Tag, um die Milch von ihren drei Kühen zur Molkerei zu bringen: kurz nach Sonnenaufgang und noch einmal am Nachmittag, insgesamt fast 50 Kilometer. Früher ging die 58-jährige Witwe zu Fuß und schaffte meist nur eine Lieferung. Heute steigt sie auf ein Buffalo Bike, ein Fahrrad, das speziell für Afrika entwickelt wurde. »Seit ich das habe, habe ich immer zuverlässig geliefert.«
Es sind Geschichten wie diese, die Dave Neiswander zum Strahlen bringen. Der US-Amerikaner hat selbst in Sambia gelebt, er hat das Buffalo Bike bei Stimbeko und mehr als 100 anderen Milchfarmern der Palabana-Kooperative eingeführt. »Ein Fahrrad ist in einem Land wie Sambia das entscheidende Verbindungsglied zwischen den Menschen und Bildung, Krankenversorgung oder eben wirtschaftlichen Möglichkeiten«, sagt er. Die Bedeutung des Zweirads werde unterschätzt, gerade in der Entwicklungshilfe, die eher für ihre weißen Landrover bekannt sei. Das will Neiswander ändern. Deshalb ist er Präsident der Hilfsorganisation »World Bicycle Relief« geworden.
Ins Leben gerufen hat sie vor 13 Jahren F.K. Day - einer der Gründer des Fahrrad-Komponentenherstellers SRAM in Chicago, der mit der Erfindung des Schaltgriffs berühmt wurde. 1997 übernahm SRAM den deutschen Traditionshersteller von Nabenschaltungen, Sachs in Schweinfurt. Diverse Rennställe nutzen heute SRAM-Komponenten. Doch Day interessierte sich irgendwann eher dafür, wie diese zu einem Rad zusammengefügt werden könnten, das ganz besonderen Bedingungen standhält. Bedingungen wie denen in Sambia.
Herausgekommen ist ein Fahrrad, das nicht von ungefähr den Namen »Büffel« trägt: Der Stahlrahmen ist extra stark, Speichen und Felgen halten schwere Lasten aus. Der Gepäckträger ist für Gewicht bis zu 100 Kilo ausgelegt. »So eine Milchkanne wiegt 20 Kilo, und oft zurren die Bauern eine oben drauf fest und hängen links und rechts noch eine dran«, erzählt Neiswander. Auch die Pedalen sind schwer belastbar, die Rücktrittbremse ist allwettertauglich und die Reifen sind - besonders wichtig - widerstandsfähige Langzeitmodelle. 25 Kilo wiegt das robuste Bike, kaum schwerer als ein Hollandrad.
Fast noch wichtiger als die technische Spezialausstattung findet Kristina Jasiunaite, dass das Buffalo Bike in Ländern wie Sambia Arbeitsplätze schafft. »Die Fahrräder werden vor Ort montiert, und wir bilden Mechaniker aus, die die Räder dann reparieren können«, sagt die Geschäftsführerin der deutschen Sektion von »World Bicycle Relief«. Repariert wird entweder mit den Spezialteilen, die die Organisation vorhält, oder aber mit anderen Ersatzteilen, die auf dem afrikanischen Markt vorhanden sind. »Bei der Konstruktion ist darauf geachtet worden, dass alle Teile mit den marktüblichen austauschbar sind.«
134 Euro kostet das Buffalo Bike. Doch der hohe Preis rentiere sich, versichert Neiswander. »Die Milchbauern haben die Räder über einen Mikrokredit finanziert, spätestens nach sechs Monaten waren sie abbezahlt.« In der Milchkooperative haben die Bauern mit Fahrrädern fast ein Viertel mehr Milch verkauft als ihre Kollegen, das Einkommen stieg entsprechend.
Dabei sind die Bauern nur ein Beispiel von vielen: Schweißer radeln zentnerschwere Metallstücke auf ihren Hof, Hühnerzüchter strampeln mit ihren Hähnchen zum Markt, Krankenhelfer fahren Leichtverletzte auf dem Gepäckträger ins Krankenhaus.
Und vielleicht am wichtigsten: Kinder können auf den Buffalo Bikes zur Schule fahren. Wer früher zwei Stunden zum Unterricht laufen musste, fährt jetzt in 30 Minuten dorthin und sitzt entspannt im Klassenzimmer. Bezahlen müssen die Kinder für ihre Räder nicht. Das übernehmen Spender oder Firmen, mit denen »World Bicycle Relief« kooperiert.
Alleine 2017 wurden mehr als 54 000 Buffalo Bikes in Sambia, Kenia, Malawi, Simbabwe und Ghana montiert und ausgeliefert. 1900 ausgebildete Mechaniker kümmern sich darum, dass die Räder nicht stillstehen. »Fahrräder haben den Vorteil, dass jeder sie benutzen kann, auch Kinder, Frauen, Alte - mit einem Auto wäre das in Afrika nicht so«, sagt Jasiunaite. So helfen die Fahrräder ganzen Dorfgemeinschaften voranzukommen - auf den Straßen und im Leben. epd/nd
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