Ärztemangel trifft Gesundheitsdienste

Marburger Bund kritisiert Probleme bei Bezahlung von Medizinern

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 3 Min.

Der öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) in Berlin ist krank - das sagt nicht nur die Ärztegewerkschaft Marburger Bund. Dieser Befund kommt auch aus den Gesundheitsämtern der Bezirke selbst, mit Verweis auf fast 500 nicht besetzte Stellen, darunter etwa 40 Arztstellen. Die meisten Ärzte, insgesamt elf, fehlen im Bezirk Marzahn-Hellersdorf. Außer den Medizinern arbeiten im ÖGD auch Psychologen, Sozialarbeiter, Hebammen oder medizinische Fachangestellte.

Aus Sicht von Peter Bobbert vom Landesverband des Marburger Bundes hält die prekäre Situation bereits länger an. Vor vier Jahren habe man bereits vom fehlenden Interesse der Ärzteschaft an diesen Stellen und von der mangelnden finanziellen Ausstattung gesprochen. Der Marburger Bund hat inzwischen für das Arbeiten im Gesundheitsdienst geworben, etwa an den Universitäten. Aber das Interesse junger Mediziner hält sich in Grenzen, weil die Einstiegsgehälter schon bei anderen kommunalen Stellen, wie in Krankenhäusern, gleich ab 1000 Euro höher liegen. Auch Polizei, Feuerwehr und Justiz bieten für ihre eigenen Ärzte eine bessere Bezahlung - nur die Gesundheitsämter hinken hinterher.

Die Empörung beim Marburger Bund ist auch deshalb groß, weil es vom Senat Ankündigungen gab, die Bedingungen zu verbessern. In der Koalitionsvereinbarung von Rot-Rot-Grün steht, dass die Personalvorgaben eines »Mustergesundheitsamtes« finanziert werden sollen. Ende 2017 beschloss der Senat dann auch noch, 402 zusätzliche Stellen im ÖGD zu schaffen und zu finanzieren. Nach den Auskünften, die der Marburger Bund aktuell einholte, steht Gesundheitssenatorin Dilek Kolat (SPD) auch noch dazu.

Die Hürde ist nach Bobbert eine »formalbürokratische«: Die Tarifgemeinschaft der Länder sperrt sich dagegen, die Ärzte im Gesundheitsdienst nach einem eigenen Tarif zu vergüten. Berlin könne deshalb nicht das eingeplante Geld zum Einsatz bringen. Hinzu kommt, dass mögliche Zulagen nur als »Kann-Bestimmung« zugesprochen werden dürften. Die Spanne von 20 Prozent mehr senkte der Senat selbst auf sieben Prozent ab, aber auch nur dann, wenn der Bewerber eine alternative Arbeitszusage einer anderen Einrichtung vorlegen könne. Diese Regelung erscheint absurd, weil damit auch noch die vorhandenen Ärzte zum Abgang ermuntert werden könnten.

Der Senat hat dennoch einen Handelsspielraum. Er könnte zumindest die Zulagen einfacher gewähren und Personalentscheidungen schneller treffen. Für Claudia Kaufhold, die Geschäftsführerin des Bundesverbandes der Ärztinnen und Ärzte des ÖGD, ist ein solcher Zeitverzug ärgerlich. Sie verweist auf vorhandene Personalengpässe, die schon jetzt dazu führen können, dass besonders Bedürftige weniger gut betreut werden. So gebe es weniger Beratung seitens der Sozialpsychiatrischen Dienste. Auch Schuleingangsuntersuchungen wären nicht mehr termingerecht zu bewältigen. Unter Umständen könnten die Personalengpässe verheerende Auswirkungen haben. Etwa bei seuchenmedizinischen Entscheidungen, die nur Amtsärzte treffen können.

Der Senat will nun die anderen Bundesländer in der Tarifgemeinschaft von einem geänderten Vorgehen überzeugen, heißt es auf nd-Nachfrage bei Dilek Kolat. »Bis das gelungen ist, werden wir in Berlin einen eigenen Weg gehen und die Gehaltslücke durch Zulagen schließen«, kündigte Kolat an.

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