Der Arbeitskampf an den Hochschulen geht weiter
GEW und ver.di rufen studentische Beschäftigte zum dreitägigen Warnstreik auf / Donnerstag zentrale Demo für mehr Lohn in der City West
Eigentlich würde er jetzt gerne in seinem Büro am Schreibtisch sitzen. Dienstags um zehn Uhr hat er immer Sprechstunde. Fabian Schmidt arbeitet an der Humboldt-Universität (HU) als studentischer Sozialberater. »Es tut mir in der Seele weh, dass ich meine Beratung in diesen Tagen nicht wie üblich anbieten kann«, sagt Schmidt. Die Kommilitonen hätten viele Fragen rund ums Studium. Oft gehe es um die Finanzierung. Auch Mutterschutz, Wohnungssuche und Prüfungsstress seien Themen, mit denen die Studenten häufig zu ihm kommen würden. »Ich möchte mit Rat und Tat unterstützen«, sagt der 32-Jährige.
Schmidt ist aktuell an der Alice-Salomon-Hochschule (ASH) in Hellersdorf im Bachelor Soziale Arbeit eingeschrieben. Den Job als studentischer Mitarbeiter an der HU macht der gebürtige Dresdner auf Basis eines Arbeitsvertrags von 50 Stunden pro Monat. Pro Stunde verdient er 10,98 Euro. »Damit kann ich nicht mal mein Studium richtig finanzieren«, sagt Schmidt.
Und genau deswegen muss seine Sozialberatung auch in dieser Woche ausfallen. Schmidt beteiligt sich an der zweiten Runde des Warnstreiks der studentischen Beschäftigten der Berliner Hochschulen für höhere Löhne.
»Wir sind zum Streik gezwungen. Unsere Löhne sind in 17 Jahren nicht ein einziges Mal erhöht worden«, sagt Schmidt, der seit 2009 Mitglied in der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) ist. Er finde es ungerecht, dass seine fest angestellten Kollegen vom Studentenwerk, die die gleiche Arbeit wie er leisteten, 16 Euro pro Stunde verdienten. »Womit ist diese Entlohnung in zwei Klassen denn bitteschön gerechtfertigt?«, fragt Schmidt.
Zusammen mit der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di hat die GEW in dieser Woche zum dreitägigen Arbeitsausstand aufgerufen. Dienstag gab es verschiedene dezentrale Aktionen an den Unis und Hochschulen. Weitere sind für Mittwoch geplant. Am Donnerstag soll es eine zentrale Protestdemonstration vom Zoologischen Garten bis zur Technischen Universität geben.
Hintergrund der Aktionen sind die Tarifverhandlungen mit dem Kommunalen Arbeitgeberverband (KAV) für 8000 studentische Mitarbeiter. Die Gewerkschaften hatten die Gespräche im Dezember für gescheitert erklärt, nachdem der KAV die Forderung nach einer Erhöhung des Stundenlohns auf 14 Euro sowie eine Anpassung an die Lohnentwicklung der anderen Hochschulbeschäftigten abgelehnt hatte. Der KAV hatte seinerseits angeboten, den Stundenlohn von 10,98 Euro bis 1. Januar 2022 in mehreren Schritten auf 12,50 Euro zu erhöhen. Die »Maximalforderungen« der Gewerkschaften könne man nicht erfüllen. Im Übrigen würden die Studenten in Berlin im Vergleich zu anderen Bundesländern sowieso noch richtig gut bezahlt, hieß es von Seiten des KAV.
Das sehen Studenten und Gewerkschaften entschieden anders. Nach einem eintägigen Warnstreik in der vergangenen Woche hatte es keine Annäherung der Positionen gegeben. Deshalb gibt es jetzt die Fortsetzung des Arbeitskampfs. »Das Problem ist, dass uns die Hochschulleitungen einfach nicht ernst nehmen«, meint Schmidt. Das Geld für die Erhöhung der Löhne der studentischen Beschäftigten sei da. Die neuen Hochschulverträge mit dem Land Berlin hätten eine deutliche Aufstockung der dafür vorgesehenen finanziellen Mittel mit sich gebracht, erläutert Schmidt. »Aber der politische Wille fehlt. Man will das Geld anderweitig verwenden«, sagt er wütend.
Der Student sieht hier auch den rot-rot-grünen Senat in der Pflicht. Trotz Tarifautonomie sollte sich die Politik deutlicher hinter die Studenten und ihre Forderungen stellen, findet Schmidt. Vor allem könne es nicht sein, dass die Hochschulleitungen den Streikenden, wie geschehen, mit Sanktionen drohen. »An der Freien Universität und der Hochschule für Wirtschaft und Recht sind die Professoren aufgerufen, streikende Mitar᠆beiter zu denunzieren«, sagt Schmidt. »Die Politiker müssen dieses Verhalten verurteilen!« Seine Kommilitonen und er wollen so lange für ihre Forderungen streiten, bis der KAV einlenkt. »Wir halten auch länger als drei Tage durch. Unser Arbeitskampf geht weiter.«
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