Ein giftiges Signal

Sebastian Weiermann hält die Kritik am islamischen Verband DITIB und dessen Verbindungen zum Erdogan-Regime für berechtigt, meint aber, Sabotageakte und Sachbeschädigungen seien die falschen Mittel der Auseinandersetzung

  • Sebastian Weiermann
  • Lesedauer: 4 Min.
Im Kontext des türkischen Angriffes auf das kurdische Gebiet im Norden Syriens gibt es auch in Deutschland zahlreiche Proteste. Darunter sind auch Aktionen militanter Linker. In zwei Fällen wurden Moscheen der DITIB attackiert. Die Angreifer begeben sich dabei auf dünnes Eis.

Sabotageakte und Sachbeschädigungen gehören fest in das Repertoire der radikalen Linken in Deutschland. Manchmal finden sie in lokalen Kontexten statt, oft aber auch im globalen Zusammenhang. Auf Verständnis stoßen die Attacken nur in seltenen Fällen. Sabotageakte an Bahnstrecken, im Vorfeld des G20-Gipfels, sorgten auch innerhalb der radikalen Linken für viel Kopfschütteln. Damit treffe man die Falschen, die einfachen Leute, war ein oft genanntes Argument.

Nun gibt es wieder militante Aktionen, über die man streiten kann. Auf der Internetplattform de.indymedia.org, die im Gegensatz zum Ableger »linksunten« nicht verboten ist, finden sich Bekennerschreiben zu Angriffen auf Moscheen der DITIB in Minden und Leipzig. In beiden Städten gingen Scheiben zu Bruch, und es wurden Parolen gegen den türkischen Einmarsch in Afrin und für die PKK gesprüht. Im Bekennerschreiben aus Minden heißt es: »DITIB sind die direkten Vertreter des AKP-Regimes in Deutschland und damit unser Angriffsziel.

Aus den Moscheevereinen operiert der türkische Geheimdienst MIT, der auch hier in Europa Oppositionelle und kurdische sowie türkische RevolutionärInnen ermorden lässt, während die europäischen Staaten nur zusehen.« Auch wird darauf verwiesen, dass in DITIB-Moscheen für einen Sieg der türkischen Armee in Afrin gebetet worden sein soll. Die Führung der DITIB bestreitet dies mittlerweile, äußert sich aber nicht zu Kriegsaufrufen verschiedener Imame in sozialen Netzwerken.

Im Leipziger Bekennerschreiben heißt es: »Angesichts der Einbindung von DITIB in den türkischen Staatsapparat und des Ausspionierens politischer Gegner in Deutschland sehen wir den Verein als Vertreter der türkischen Regierung und somit als legitimes Angriffsziel an.«

Argumentativ kann nur wenig gegen die Aussagen in beiden Bekennerschreiben eingewandt werden. Es gibt zahllose Beweise und Hinweise auf die engen Verstrickungen der deutschen DITIB mit dem türkischen Geheimdienst. Auch treffen sich nationalistische Rockerbanden wie die »Osmanen Germania« und »Turan« teilweise in Räumlichkeiten der DITIB. Mitglieder beider Banden waren schon an Attacken auf linke Türken und Kurden beteiligt. Es gibt also gute Gründe, gegen die DITIB zu sein.

Allerdings handelt es sich bei den DITIB-Einrichtungen eben nicht nur um Einrichtungen des türkischen Staates, sondern auch um religiöse Einrichtungen. Einrichtungen einer, in Zeiten von AfD, Pegida und Naziterroristen, stark bedrohten Minderheit. Im Jahr 2016 gab es insgesamt 91 Attacken auf Moscheen. In der Regel aus rassistischen Motiven.

Wenn Linke nun auch Moscheen attackieren, reihen sie sich, auch wenn sie ihre Anschlagserklärungen gut begründen, in einen Kontext ein, der nicht der ihre sein kann. Kein Moscheebesucher, der einfach nur beten möchte, wird die Texte auf Indymedia lesen und sich nach einer anderen Moschee umsehen. Kein Mensch wird die Parolen lesen und deswegen die DITIB verlassen. Im besten Falle halten sie es für einen Angriff von Kurden, und »nur« dieser Konflikt würde sich dadurch verschärfen. Im schlimmsten Falle aber ist es für die Menschen nur ein weiterer Hinweis auf Ausgrenzung und Rassismus in der Bundesrepublik, der sich von islamfeindlichen Reden der AfD bis hin zu den Mordanschlägen des NSU zieht.

Eine radikale Linke, die den Kampf gegen die Diktatur in der Türkei und den menschenverachtenden Islamismus ernst nimmt, sollte sich mit ihrem Gegner befassen und ihn genau kennen. Es spricht nichts dagegen, faschistische Positionen von Funktionsträgern solcher Organisationen zu benennen. Es spricht nichts dagegen, öffentlich Druck aufzubauen, wenn DITIB und Co. von deutschen Städten hofiert werden und ihnen zum Beispiel Räumlichkeiten für Propagandaveranstaltungen zur Verfügung gestellt werden. Dabei sollte allerdings immer deutlich werden, wer wegen welcher Taten kritisiert wird. Pauschale Angriffe auf religiöse Einrichtungen einer Minderheit setzen gerade im deutschen Kontext ein giftiges Signal.

Sebastian Weiermann ist freier Journalist aus Dortmund und schreibt über rechte Bewegungen sowie Islamismus.

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