Hat HNA sich übernommen?
Chinesischer Großkonzern steht nach jahrelanger weltweiter Einkaufstour vor hohen Rückzahlungen
Die Zweifel an der Kreditwürdigkeit der HNA-Gruppe wachsen. Der weltweit aktivste Investor aus China kämpft an mehreren Fronten mit schlechten Nachrichten. Mitte Januar hat ein Finanzpartner für mehrere Tage Konten des Unternehmens eingefroren, wie die HNA-Gruppe zugab. Die Probleme seien jedoch gelöst. Analysten warnen unterdessen vor weiterem Ungemach 2018: Es stehen hohe Rückzahlungen an.
HNA hat in den vergangenen drei Jahren oft Aufsehen erregt. Die Übernahmen waren spektakulär und teuer. HNA erwarb hohe Anteile an der Hilton-Hotelkette, an den Flugdienstleistern Swissport und Gategroup, am Airport Frankfurt-Hahn und Dutzenden anderer hochkarätiger Firmen. Die Gruppe kaufte auch dem New Yorker Unternehmer Anthony Scaramucci seine Finanzfirma ab, damit dieser als Sprecher von US-Präsident Donald Trump ins Weiße Haus einziehen konnte. Im Februar 2017 fügte HNA mit der Deutschen Bank der Sammlung ein weiteres Juwel hinzu. Nach mehreren Aufstockungen gehören HNA nun knapp zehn Prozent am deutschen Geldhaus. Oberhalb von zehn Prozent müssen die Behörden Beteiligungen eingehend prüfen.
Finanzstarke Großinvestoren sind den meisten Aktiengesellschaften willkommen. Gerade die Chinesen bleiben meist lange engagiert und sorgen für Stabilität. Auch HNA gilt im Prinzip nicht als hochgefährlicher Pleitekandidat. Erst kürzlich haben mehrere Großbanken dem Unternehmen ihr Vertrauen ausgesprochen. Den Verbindlichkeiten stehen profitable Geldanlagen gegenüber.
Doch inzwischen stellt sich die Frage, ob das Unternehmen an Zins und Tilgung für seine Verbindlichkeiten nicht doch zu schwer hebt. Die meisten Übernahmen hat es durchgezogen, indem es Kredite aufgenommen und dafür Sicherheiten gestellt hat. Nun sieht es so aus, als seien die vorhandenen Sicherheiten bei Übernahmen im Wert von mehr als 40 Milliarden Euro arg strapaziert.
Dieser Ansicht waren auch die Manager der chinesischen Ningbo Commerce Bank. Sie waren misstrauisch geworden, als sie merkten, dass HNA die gleichen Wertpapiere als Sicherheiten für unterschiedliche Kredite eingereicht hatte. Am 12. Januar froren sie die Kontobewegungen ein. Nachdem das Unternehmen versichert hatte »an einem wichtigen Restrukturierungsplan zu arbeiten«, gaben sie die Konten am 15. Januar wieder frei. Konkret ging es um Aktien des Unternehmens Tianjin Tianhai, die HNA als Sicherheit hinterlegen wollte. Derzeit sind die Aktien von sechs börsennotierten HNA-Töchtern, darunter Tianjin Tianhai, vom Handel ausgesetzt. Die Gruppe befindet sich kurz vor einer groß angelegten Neuordnung ihrer Finanzarchitektur. Sie wolle jedoch keine wichtigen Beteiligungen abstoßen, war zu hören.
In der zweiten Jahreshälfte wird der Druck auf HNA jedoch deutlich zunehmen, wie der Finanzdienst Bloomberg ausgerechnet hat. Dann muss das Unternehmen Anleihen im Wert von 1,5 Milliarden Euro bedienen - eine »Wand von Schulden«, wie die Experten es ausdrücken. Diese Summe kommt zur regulären Zinslast von über zwei Milliarden Euro pro Jahr hinzu.
Die zunehmenden Zweifel an der Bonität des Unternehmens haben auch den Effekt, dass die Kreditgeber misstrauischer werden und höhere Zinsen verlangen. Die Kosten für die Verschuldung haben sich daher in den vergangenen Jahren verdoppelt. Um die Schulden umzuwälzen, muss das Unternehmen also mehr Geld bieten.
Die chinesische Regierung hat die Aktivitäten von HNA in den vergangenen Monaten gebremst und Übernahmen die Genehmigung verweigert. Den Verantwortlichen in Peking wurde die weltweite Shoppingtour anscheinend ebenfalls unheimlich.
HNA ist aus der Fluglinie Hainan Airlines hervorgegangen, doch die Beteiligungen haben meist nichts mit deren Geschäftsbereich Reise und Touristik zu tun. Der deutsche Ex-Wirtschaftsminister Philipp Rösler arbeitet inzwischen in New York als Chef der Hainan Cihang Charity Foundation. Dabei handelt es sich um eine Stiftung, die »Bildung, Unternehmertum und Gesundheit« fördern soll.
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