- Politik
- Ankaras Krieg gegen die Kurden
Afrin-Solidaritätsdemonstration von Polizei aufgelöst
Zehntausende Teilnehmer protestierten in Köln gegen türkischen Einmarsch / Katja Kipping: Behördeneinsatz war »Kniefall vor Erdogan«
Zehntausende Kurden und linke Unterstützer haben am Samstag in Köln an einer Solidaritätsdemonstration für die nordsyrische Enklave Afrin teilgenommen. Seit einer Woche wird die mehrheitlich kurdische Region vom türkischen Militär und islamistischen Milizen attackiert. Das Demokratische Gesellschaftszentrum der KurdInnen in Deutschland (NAV DEM) hatte zu der bundesweiten Demonstration aufgerufen. Der Tenor auf der Veranstaltung war eindeutig: Mit der »Operation Olivenzweig« habe der türkische Autokrat Recep Tayyip Erdoğan nicht nur einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg begonnen, sondern erneut den Zorn der Kurden in aller Welt auf sich gezogen.
Kritisiert wurde nicht nur der Präsident der Türkei, sondern auch die Bundesrepublik Deutschland. »Sie liefert nach wie vor Waffen an die Türkei«, sagte Yavuz Fers, Pressesprecher von NAV DEM. Unerträglich sei für die Kurden in Deutschland zudem »die wirtschaftliche und politische Unterstützung des türkischen Systems«, insbesondere von Sigmar Gabriel, der »in der Bundesregierung am loyalsten zur Türkei steht«. Es seien nicht die Kurden gewesen, die eine persönliche Sache daraus gemacht hätten, sondern Gabriel selbst, so Fers.
Kurden in Deutschland leiden unter einer zunehmenden Kriminalisierung, was auch an diesem Samstag wieder deutlich wurde. Bereits vor der Demo hatte es Streit zwischen NAV DEM und der Kölner Polizei gegeben, weil diese eine organisierte Ausgabe von Lebensmitteln an die Demonstrationsteilnehmer nicht zugelassen hatte. Die kurdische Bewegung kämpft zudem seit fast einem Jahr gegen ein Flaggen-Verbot des inhaftierten PKK-Anführers Abdullah Öcalan. Bereits im November 2017 wurde in Düsseldorf eine Versammlung gewaltsam von der Polizei aufgelöst, weil sich die Kurden der Auflage, keine Abbildungen von Öcalan zu zeigen, widersetzt hatten.
Nach einer Eskalation sah es am Kölner Ebertplatz zunächst nicht aus. Die Stimmung unter den Teilnehmern war kämpferisch, aber friedlich. Von Zozan Gül, einer kurdischen Aktivistin, motiviert, skandierten die Demonstranten immer wieder »Lang Lebe Afrin«. Man wolle die Öffentlichkeit wach rütteln, hieß es. »Es ist ja nicht nur der Kampf der Kurden, sondern auch einer der Menschheit«, sagte Gül gegenüber dem »nd«. Die Polizei zeigte indes eine deutliche Präsenz am Rande der Demonstration. Über 2000 Beamte waren im Einsatz.
Wenige hundert Meter, nachdem die Demo - auch mit Beteiligung des kurdischen Fußballprofis Deniz Naki, auf den kürzlich ein Mordanschlag verübt wurde - los gelaufen war, zeigten Teilnehmer dann eine große Fahne mit Öcalans Konterfei.
Die Polizei stoppte die Demonstration, ließ sie aber, als die Fahne verschwunden war, wieder weiter laufen. Wenige Minuten später drohte die Stimmung zu kippen. Als erneut die Fahne mit Öcalans Abbild gezeigt wurde, provozierten mehrere behelmte Polizisten eine Eskalation, die aber unbeantwortet blieb.
Am frühen Nachmittag fand die Demonstration jedoch ihr vorläufiges Ende, nachdem wiederholt und in größerer Anzahl Öcalan-Fahnen gezeigt worden waren. In einem Kessel trennte die Kölner Polizei die ersten 1000 Teilnehmer von der übrigen Demo ab und löste, trotz noch laufender Gespräche mit NAV DEM, die Versammlung auf.
Eine Stunde später verkündete die Polizei die Auflösung auch den Teilnehmern. Sie ließ den vorderen Block im Spalier aus dem Kessel, um Personalien wegen mutmaßlich begangener Straftaten aufzunehmen.
Yilmaz Kaba, Pressesprecher von NAV DEM, sagte dem »nd«, dass man versucht habe, eine Lösung mit der Polizei zu finden. Umso mehr sei es »ein Skandal«, dass die Demo aufgelöst wurde - von Anfang habe sie den Charakter einer Friedensdemonstration gehabt. »Wir wollten ein Zeichen gegen die Angriffe auf Afrin setzen«, sagte Kaba. Auch Katja Kipping, Ko-Vorsitzende der LINKEN, kritisierte das Verhalten der Kölner Polizei als »nicht verhältnismäßig«. Von den Fahnen »ging für niemanden Gefahr aus«, erklärte sie. »Ich finde das was hier passiert ist am Ende, ist ein indirekter Kniefall vor Erdoğan.«
NRW-Innenminister Herbert Reul widersprach: »Dass die Vorsitzende der LINKEN der Polizei in den Rücken fällt, ist inakzeptabel. Die Lage war ein Ernstfall für den Rechtsstaat.« Was Philipp Krüger, Sprecher der Gruppe Amnesty Polizei, nicht so stehen lassen wollte: »In einer Demokratie fällt man der Polizei nicht in den Rücken, weil man sie kritisiert.«
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.