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- Autonomenzeitschrift »radikal«
Die Schuhe sind zu groß
Das derzeitige Redaktionskollektiv der Autonomenzeitschrift »radikal« fällt durch fragwürdige Äußerungen auf
Eine neue Ausgabe der Autonomen-Zeitschrift »radikal« ist im Dezember 2017 aufgetaucht, versehen mit dem Untertitel »schädlich geneigt«. Diese Ausgabe wurde von sogenannten Insurrektionalisten publiziert - ein Begriff, der im lateinischen Sprachschatz auf »sich erheben« oder einen Aufruhr gegen die bestehende zivile oder politische Autorität verweist. Fast folgerichtig zeigt das Titelbild einen dynamisch Anlauf nehmenden vollvermummten Aktivisten mit einem angezündeten Molotow-Cocktail. Möglicherweise entstand diese Aufnahme während der Krawalle in Hamburg aus Anlass des G20-Gipfels. Die Nachbetrachtung dieses Ereignisses füllt auch einen großen Teil dieser nicht nummerierten Ausgabe mit einem Umfang von rund 80 Seiten. Die letzte nummerierte Ausgabe erschien als Nummer. 165 im Verlaufe des Jahres 2012, zwischenzeitlich sind seit 2016 vier weitere Ausgaben erschienen.
Eröffnet wird die aktuelle Ausgabe mit einem Text »gegen diejenigen, die es verstehen wollen«. Das klingt paradox und ist dann in der fortlaufenden Argumentation auch so beschrieben. Negativ wird etwa vermerkt, das Revolutionäre oft der Neigung anheimfallen, »den laufenden Revolten ihre Interpretation aufzudrücken, auf gleiche Weise, wie der Staat zum Beispiel«. Allemal gelte doch hier, dass »eine Realität zu benennen […] bedeutet, sie zu reduzieren, und [...] sie zu reduzieren […] bedeutet, sie zu verraten.« Doch nun sei man während des Hamburg-Krawalls »in der komfortablen Situation, am Puls eines kleinen Aufstandes gewesen zu sein, so dass man gar nicht die Zeit für dumme Fragen gehabt habe«. Für Hamburg sei es essenziell gewesen, »dass die Situation unberechenbar war«. Gerade das gelte auch für kommende Erhebungen. Kurz: »Analysen und Definitionen gehören in den Untergrund.«
Aber dann ist den Autoren doch noch der konstruktive Ansatz in den Eröffnungstext gerutscht, dass man nämlich mit der eigenen Praxis immer noch darauf abziele, »Aufruhr auszulösen und die Leute zur Diskussion zu verpflichten.« Aber wie soll eben das möglich sein, wenn man vorher klar gemacht hat, dass man sich zentral gegen diejenigen wenden will, »die es verstehen wollen«?
In dem langen Abschlussbeitrag dieser Ausgabe, der sich mit »verschiedenen Tendenzen im gegenwärtigen Widerstandszenario« beschäftigt, bekommen alle möglichen Gruppen der außerinstitutionellen Linken ihr Fett weg: Gruppen wie die »Interventionistische Linke« oder das »Ums Ganze Bündnis« würden mit ihren links-bürgerlichen Überlegungen Gefahr laufen, »den Weg ihrer Vorläufer« in Gestalt von Sozialisten und Grünen zu gehen. Stattdessen stehe eine Art »Partisanenpolitik« im Horizont der Stadtguerilla auf dem Programm, die - so die Formulierung am Ende des Beitrages - »mehr Menschen die Möglichkeit zu politischen Subjektwerdung« anbieten könne. Inmitten der herrschenden Warenwelt spricht die »radikal«-Redaktion hier tatsächlich von »anbieten«.
Im Angebot findet sich in dieser Ausgabe dann auch ein längerer Beitrag zum Thema »Enteignung und Bankraub als revolutionärer Akt«. Der Redaktion erscheint es wichtig, zum Thema »einige Gedanken zu Enteignung als subversivem Akt, als Perspektive innerhalb einer illegalen Praxis« beizusteuern, und erklärt allen Ernstes einen »Diskurs darüber« als wünschenswert. Dabei wandert die Argumentation etwas ziellos hin und her, spricht in allgemeiner Art und Weise dieses und jenes an, zeigt sich aber auch darin überzeugt, dass bei diesem Thema »Moral an sich (…) nicht unsere Handlungen beeinflussen« sollte. Voilá!
Dazu wird dieser Beitrag mit der Dokumentation eines von den Sicherheitsbehörden frei gegebenen Bildes von einem Banküberfall am 7.09.2011 in Arnstadt durch die beiden NSU-Täter Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt eröffnet. Wie gewohnt sind die Mörder auch bei diesem Raub mit großer Brutalität gegen die Bankangestellten vorgegangen, sie schlugen einer Angestellten mehrmals mit einem Telefonhörer auf den Kopf.
Die unkommentierte Dokumentation dieses Bildes durch die Redaktion der Zeitung verstört auf eine denkbar düstere Art und Weise. Wird hier seitens der »radikal«-Redaktion intendiert, das sich die radikale Linke genauso einen Kopf um Banküberfälle mit einer spezifischen Brutalität gegen Bankangestellte machen soll, wie eben auch der NSU, zu dem man sich zuweilen ja auch anhören darf, dass die dort organisierte Beate Tschäpe genauso wie Ulrike Meinhof als Frau bewaffnet im Untergrund gelebt hat?
Auch wenn man hier wirklich gerne Ahnungs- und Gedankenlosigkeit unterstellen möchte - es ändert nichts daran, dass sowohl dieses Bild wie auch der dazu gehörige irrlichternde Text nichts anderes als eine fulminante Steilvorlage für die aktuellen Anti-Linksextremismus-Kampagnen der Sicherheitsbehörden darstellt. Es gibt hier auch nicht den geringsten Grund, das verstehen zu wollen.
Dieser beunruhigende Fauxpas - wenn's denn überhaupt einer ist - illustriert, das der Schuh des Projektes »radikal« für die derzeitigen Redaktionsaktivisten aus vielfältigen Gründen zu groß ist.
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