- Sport
- Vor dem Super Bowl
Knien sie oder knien sie nicht?
Mehrere hundert Millionen Menschen werden beim Super Bowl am Sonntag zwischen Patriots und Eagles zusehen
Nur ein einziges NFL-Spiel absolvierte Footballer Colin Kaepernick im Jahr 2017: Dennoch erlangte der ehemalige Quarterback der San Francisco 49ers in der Saison 2016/2017 Weltruhm und schaffte es unter anderem auf die Shortlist bei der Wahl zur »Person of the year« im Time Magazin. Denn der 29-Jährige hat eine Bewegung gestartet, als er im August 2016 vor einem Spiel der 49ers während der Nationalhymne auf die Knie ging statt wie üblich im Stehen mitzusingen - die Hand aufs Herz gelegt. Kaepernick protestierte.
Kaepernick wollte ein Zeichen setzen gegen die systematische Unterdrückung von Minderheiten in den USA und ganz besonders gegen die Polizeigewalt, der sich vor allem Schwarze immer wieder ausgeliefert sehen. Hunderte Spieler folgten seinem Beispiel, während US-Präsident Donald Trump über derlei unpatriotisches Verhalten tobte und verlangte, solche »Hurensöhne« müssten von den Klubbesitzern gefeuert werden.
Kaepernick war plötzlich ein amerikanischer Held, wenn auch schon bald ein arbeitsloser: Keiner der 32 NFL-Klubs wollte den erfolgreichen Quarterback nach seinen Protesten noch engagieren. Bis heute hat Kaepernick keinen Job mehr bekommen, obwohl die Teams von Baltimore dringend Quarterbacks suchten, teilweise welche aus dem Ruhestand zurückholten oder Spieler ohne NFL-Erfahrung unter Vertrag nahmen.
Dennoch spielt Kaepernick auch beim wichtigsten Footballspiel des Jahres 2018 eine Rolle, wenn auch nur indirekt. Wenn am Sonntag im bitterkalten Minneapolis die favorisierten New England Patriots auf den Underdog Philadelphia Eagles treffen und mehr als 100 Millionen US-Amerikaner zusehen, wird sich schon vor dem Spiel eine der spannendsten Fragen entschieden. Knien sie oder knien sie nicht, wenn Sängerin Pink vor dem Kickoff die Nationalhymne intoniert?
Die US-Footballliga NFL stärkt den rebellischen Spielern den Rücken: Sie dürfen auch in Zukunft während der Nationalhymne protestieren ohne eine Strafe befürchten zu müssen. NFL-Boss Roger Goodell erklärte bereits am Mittwoch auf der traditionellen Pressekonferenz vor dem Super Bowl, das Stehen während der US-Hymne werde auch künftig nicht zur Pflicht erklärt werden.
Dass US-Präsident Donald Trump den Protestierern noch immer vorwirft, sie würden der US-Flagge und der Armee nicht genügend Respekt erweisen, beeindruckt die Liga-Bosse nicht. Im Gegenteil: Sie schmetterten jüngst das Ansinnen der Veteranenorganisation »AMVETS« ab, die am Spieltag unter dem Hashtag pleasestand fürs Stehenbleiben bei der Hymne werben wollte. »Zu politisch«, nannte ein Sprecher der NFL den Werbeclip der AMVETS, die sich wiederum über die »Zensur«empörte.
So oder so gibt es Stimmen, die behaupten, das Politische überlagere die Übertragungen aus der NFL viel zu sehr. Um 8,7 Prozent sank die Einschaltquote für die NFL-Spiele gegenüber dem Vorjahr. Der Übertragung des Super Bowl wird das allerdings kaum etwas anhaben können: Längst sind die Tickets für das krönende Spiel der NFL-Saison vergriffen, bis zu eine Milliarde Menschen wird weltweit dem Spektakel beiwohnen, dass um 0.30 Uhr mitteleuropäischer Zeit im »US Bank Stadium« angestoßen wird.
Spannend wird das Match vor allem wegen des Patriots-Quarterbacks Tom Brady, der übrigens ein guter Bekannter von US-Präsident Trump ist. Brady ist 40, aber noch längst nicht über den Zenit seiner Karriere hinweg, auch wenn er den Super Bowl bereits zum achten Mal erlebt. Fragen nach einem Rücktritt bei einem Super-Bowl-Sieg nerven den Superstar gehörig: »Ich bin vielleicht älter als die anderen Jungs, aber ich habe immer noch meinen Spaß. In diesen Spielen anzutreten, ist doch ein Traum.«
Tatsächlich wirkt Brady als 40-Jähriger so fit wie nie zuvor, die Illustrierten liefern begeisterte Home-Stories über Tom Brady und seine Frau, das brasilianische Topmodel Gisele Bündchen. Deren Rezept für die Jugendlichkeit sei eine konsequente Diät, die der Familienkoch jüngst dem Boston Globe verriet: Massenhaft Gemüse, etwas Fleisch und Kohlenhydrate nur in Form von Quinoa oder braunem Reis. Brady, der vielen bereits als der größte Spieler aller Zeiten gilt, sagt, für ihn sei noch längst nicht Schluss: »Ich will noch ein paar Jahre spielen!«
Die Eagles hingegen erlebten eine wundersame Saison: Nach überragendem Saisonauftakt riss Quarterback Carson Wentz das Kreuzband. Das Team kämpfte dennoch weiter, und Ersatzmann Nick Foles führte es bravourös durch die Playoffs ins Endspiel. 1981 und 2005 standen die Eagles bereits im »Biggest Game in Sports«, verlor aber jeweils. Diesmal soll es anders kommen, verspricht Foles: »Wir wissen, was uns erwartet - und wir können es kaum erwarten!«
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.