Pelztierfarmen als Auslaufmodel

Norwegens Regierung fasste Grundsatzbeschluss zur Abwicklung des Industriezweiges

  • Andreas Knudsen
  • Lesedauer: 4 Min.

Sieg! Mit dieser Überschrift feierte Norwegens größte Tierschutzorganisation »Dyrevern« das Ende einer 17 Jahre langen Kampagne gegen die Haltung und Zucht von Pelztieren auf norwegischen Farmen. Die Winde standen schon lange ungünstig für die Züchter, doch der endgültige Umschwung kam erst im Zuge der Verhandlungen zur Regierungsbildung. Die liberale Venstre-Partei, die schon seit mehreren Jahren Gegner der Käfighaltung war, machte das Verbot zur Bedingung ihrer Regierungsbeteiligung. Um die Regierungsmehrheit zu sichern, musste die konservative Ministerpräsidentin Erna Solberg sich der Forderung beugen. Die Linksparteien und die Grünen hatten sich schon längst gegen die Haltung und Züchtung von Tieren zur Pelzerzeugung ausgesprochen.

Streng genommen setzte der norwegische Beschluss aber lediglich ein Schlussdatum fest für eine Industrie, deren wirtschaftliche Bedeutung seit der Jahrtausendwende deutlich zurückgegangen ist. Noch 1999 gab es 1287 Pelzfarmen in Norwegen, während es gegenwärtig nur noch 201 sind. Dafür sind sie jedoch wesentlich größer geworden und statt wie damals wenige Hundert Tiere werden nun durchschnittlich etwa 1500 Tiere, in Einzelfällen sogar bis zu 30000, in Käfigen und engen Gehegen gehalten. Die Züchter haben nun eine Frist bekommen, bis zum Jahr 2025 ihre Unternehmen abzuwickeln und bekommen dafür eine finanzielle Entschädigung. Gerade die zunehmende Größe der Farmen ist zu einem Schwachpunkt für die Besitzer geworden, die hart für die Erhaltung der Industrie gekämpft hatten.

Nicht nur Tierschutzorganisationen, sondern auch die Veterinärkontrolleure hatten immer wieder festgestellt, dass die wenigen Arbeitskräfte, die auf den hoch mechanisierten Farmen beschäftigt sind, durchschnittlich nur 20 Sekunden Aufmerksamkeit für ein Tier haben, um Krankheiten oder stressbedingtes Fehlverhalten feststellen zu können. Zudem sind die Farmen zu einer Umweltbelastung geworden durch die von ihnen produzierten Abfälle. Auch das Argument, dass sie relativ umweltfreundlich sind, weil dort Schlachtabfälle an die gehaltenen Nerze, Marder oder Füchse verfüttert werden und dadurch die weitgehende Verwertung von Schlachttieren wie Kühen, Schweinen oder Geflügel gesichert wird, hat Lücken, denn solche Abfälle machen nur einen kleinen Anteil am Futter aus.

Die Akzeptanz der Pelztierhaltung in der norwegischen Bevölkerung ist schon seit Jahren weitgehend verschwunden. In einer Meinungsumfrage von 2014 erklärten 68 Prozent der Norweger, dass sie gegen die Haltung von Pelztieren seien. Eine Reihe norwegischer Prominenter schlossen sich den Anti-Pelz-Aufklärungskampagnen an. Auch das Arbeitsplatzargument fällt kaum wenig ins Gewicht, da nach Angaben der Regierung im Jahr 2016 lediglich 316 Personen auf den norwegischen Farmen beschäftigt waren. Die meisten liegen in den zentralen Gebieten Norwegens, so dass auch die Arbeitssituation in Randlagengebieten nur wenig beeinflusst wird. Für die norwegische Gesellschaft ergeben sich durch den Wegfall der Pelzfarmen sogar messbare finanzielle Vorteile: Die Umwelt wird weniger belastet und hohe Transportsubventionen fallen weg, die indirekt den Verbrauchern in den wichtigsten Märkten Russland und China zugute kommen.

Anders ist die Situation weiterhin in Dänemark. Hier ist die Pelzproduktion ein wichtiger Erwerbszweig. Einschließlich der Zulieferer- und Verwertungsindustrie wird geschätzt, dass etwa 9000 Menschen hier Arbeit finden. Die Pelzzüchter des Landes unterstreichen gern, dass ihre Produktion umweltfreundlich und entsprechend den höchsten Normen des Tierschutzes ausgerichtet ist. Mehrfach im Jahr wird die Öffentlichkeit zu »Open Farm Days« eingeladen. Exakte Untersuchungen zur Bevölkerungsakzeptanz liegen allerdings nicht vor und das Thema an sich spielt nur selten eine Rolle in den dänischen Medien.

Jährlich werden in Dänemark etwa 18 Millionen Nerzpelze in etwa 1500 Farmen produziert und mit Kopenhagen Fur findet auch die wichtigste Messe der Welt im Land statt. Auch für die dänischen Züchter sind Russland und China die wichtigsten Absatzmärkte. Landwirtschaftsminister Esben Lunde Larsen hat kürzlich angekündigt, gegen eine Initiative Portugals in der EU zu kämpfen, die die Haltung von Nerzen in der EU verbieten lassen will, da es eine invasive Art in Europa ist. Lediglich die Haltung von Füchsen in Pelzfarmen wurde im Jahr 2009 verboten, jedoch wurde eine Ausnahmeregelung eingeführt bis 2023, falls Füchse der Haupterwerbszweig des betreffenden Züchters sind. Die dänischen Tierschutzverbände haben den norwegischen Kurswechsel dagegen begrüßt und angekündigt, ihre Kampagnen zu intensivieren, um schnellstmöglich in ihrem Land den gleichen Erfolg feiern zu können.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.