Die EU kann auch hart spielen
Stephan Fischer zur Absetzung Ryszard Czarneckis als EU-Parlamentsvizepräsident
Es war eine Premiere für das EU-Parlament: Zum ersten Mal wurde ein Amtsträger nach der Geschäftsordnung des EU-Parlaments abgewählt. Der PiS-Politiker Ryszard Czarnecki muss seinen Posten als Vize-Präsident räumen, die große Mehrheit der Parlamentarier wollte sein Überschreiten einer »weiteren roten Linie« nicht mehr hinnehmen. Im Vorfeld der Entscheidung wollte er seine Äußerungen gegenüber der EU-Abgeordneten Róża Thun noch mit den härteren Bandagen verteidigen, mit denen in der politischen Arena Polens gekämpft wird – zurücknehmen wollte er sie nicht.
In einem hat Czarnecki recht: Die Bandagen sind in Polen tatsächlich härter. Dies bekommt vor allen die inner- und außerparlamentarische Opposition von Szczcecin bis Przemyśl zu spüren. Auch Róża Thun: 2017 wurden in Katowice Fotos von polnischen Abgeordneten, die im EU-Parlament für die Überprüfung der Rechtsstaatlichkeit Polens gestimmt haben, an Galgen aufgehängt, darunter das Foto Thuns. Die Polizei schritt nicht ein. Die Ausfälle Czarneckis sind keine extreme Einzelmeinung. Sie sind aber auch nicht mehrheitsfähig – in einer Umfrage für die konservative »Rzeczpospolita« votierte die Hälfte der Befragten für die Absetzung Czarnecki, nur jeder vierte Befragte stimmte für seinen Verbleib. So ist die Entscheidung des EU-Parlaments ein Schuss vor den Bug der PiS – aber kein Angriff gegen Polen und seine Bürger.
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