Rechte laufen sich in Dresden warm

Erste Demonstrationen von AfD und militanten Neonazis »im Gedenken« an die Bombardierung der Elbemetropole im Februar 1945

  • Christoph Hedtke und Henrik Merker, Dresden
  • Lesedauer: 3 Min.

Seit Jahren ist Dresden im Februar das Reiseziel Nummer eins für Neonazis aus ganz Deutschland. Einst waren die geschichtsrevisionistischen Märsche um den 13. Februar die größten Veranstaltungen dieser Art. Tausende Teilnehmer reisten aus ganz Europa an. Nach internen Streitereien und erfolgreichen Blockaden kommen nur noch wenige hundert Teilnehmer nach Dresden.

Auch der Alternative für Deutschland gelang es nicht, diesen Trend zu stoppen. Die AfD-Veranstaltung vorm Dresdner Hauptbahnhof zählte ganze 260 Teilnehmer. Schon zu Beginn haben sie mit technischen Problemen zu kämpfen. Ohne Strom für die Lautsprecher muss zum Megafon gegriffen werden. Zudem entsprechen mehrere Transparente nicht den Auflagen der Versammlungsbehörde und werden weggepackt – sie hatten Überlänge. Auf Fotos ist zu sehen, dass einige Vermummte am Aufmarsch teilnehmen.

Der erste Redner, Matthias Scholz (JA, AfD), fordert einen »Marsch in die Institutionen«, um als AfD die Macht zu übernehmen. Der AfD-Bundestagsabgeordnete Jens Maier wurde am Sonnabend 56 Jahre alt, einige Teilnehmer stimmen für ihn das Lied »Happy Birthday« an. Matthias Scholz interveniert, deutsche Patrioten dürften keine englischen Lieder singen. Maier ist es, der zwischen der AfD-Demonstration und der Bombardierung Dresdens am 13. Februar einen Bezug herstellt.

Die englische Sprache habe sich nur durch Kanonen und Bomben als Weltsprache durchgesetzt: »Und hier, Dresden, ist ja ein Fall, wo man das auch erleben musste«, sagt der Dresdner Richter. Nach weiteren Reden zieht die Demonstration vom Hauptbahnhof über die Shoppingmeile »Prager Straße« zur Frauenkirche. Auf dem Weg werden Passanten angegiftet, die den rechten Parolen widersprechen. Wer die AfD nicht unterstütze, würde schon sehen, dass er bald in einem muslimischen Deutschland leben würde, heißt es.

Einzelne Polizisten rechneten mit Blockadeversuchen, doch organisierten Protest gab es gegen die AfD-Demonstration nicht. Dafür wurden Journalisten als Feindbild ausgemacht, mehrfach bedrängt und abgefilmt.

Im Süden Dresdens marschierten währenddessen 500 Neonazis um den NPD-Ortsbeirat Mike Müller aus Dresden-Prohlis auf. Vor allem NPD-Kader, Mitglieder der Partei DIE RECHTE und Autonome Nationalisten kamen zusammen. Auf ihren Transparenten und in Reden wurden die Bombenangriffe auf Dresden mit dem Holocaust gleichgesetzt, nur bei den Opferzahlen waren sich die Rechten nicht einig. Manche sprachen von 350.000 Toten – andere von 250.000. Sie hatten einfach eine Null an die offizielle Opferzahl, 25.000 Tote, gehängt.

Am S-Bahnhof Dresden Reick beginnt die schweigende Demonstration. Begleitet von klassischer Musik zieht sie zum Großen Garten. Zwischendurch kommt es zu Blockadeversuchen durch Antifaschisten, die jedoch scheitern. Am Großen Garten angekommen, gruppiert sich der Aufmarsch. In fester Formation werden Fackeln angezündet. Reden halten Udo Voigt, Europa-Abgeordneter und ehemaliger NPD-Chef, der Thüringer NPD-Landesvorsitzende Thorsten Heise sowie Gäste aus Tschechien und Frankreich. Voigt behauptet, die Alliierten hätten im Zweiten Weltkrieg das Ziel verfolgt, ein »homogenes weißes Europa« auszurotten. An die Bedrohung eines »weißen Europas« knüpft auch Heises Rede an, er wolle stolze weiße Europäer.

Während des Aufzugs vermummen sich einige Neonazis, ihre Ordner bedrängen und bedrohen mehrfach Journalisten, ohne dass die Polizei einschreitet, die mit 1.100 Beamten im Einsatz war.

Wegen mangelnder Beteiligung wurde der traditionelle »Mahngang Täterspuren«, bei dem linke Bündnisse auf die Beteiligung Dresdens an der NS-Vernichtungsmaschinerie hinweisen, auf den 8. Mai verschoben. Die wenigen Teilnehmer gingen zur Demonstration gegen den Naziaufmarsch, die von der »AG 13. Februar« organisiert wurde. Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert wollte sich beteiligen, er erschien am Ende doch nicht.

Am 17. Februar ist der nächste braune Aufmarsch angemeldet – sie folgen dem verurteilten Volksverhetzer und Holocaustleugner Gerhard Ittner. Doch der Widerstand ist groß. Bis zu 11.000 Teilnehmer erwartet die Stadt Dresden für ihre traditionelle Menschenkette um die Innenstadt am 13. Februar, die erstmals 2010 als bürgerlicher Protest gegen die Naziaufmärsche startete. Auf dem Neumarkt, wo die rassistische AfD-Demonstration am Sonnabend endete, soll am 13.02. außerdem ein stilles Gedenken stattfinden, organisiert von der »Gesellschaft zur Förderung der Dresdner Frauenkirche«.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!