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Duschen oder Spargel essen
Klimawandel beschert Brandenburg mehr Extremwetterphänomene
Untergehende Tropenparadiese, sich ausbreitende Wüsten: Wer denkt beim Klimawandel schon an die märkische Eiche? Doch Brandenburg wird im Vergleich zu den anderen deutschen Bundesländern sogar besonders stark vom Klimawandel betroffen sein. »Damit ist auf jeden Fall zu rechnen«, sagt Carsten Linke vom Landesumweltamt Brandenburgs. Vor allem unter Hitze und Trockenheit wird das Land demnach künftig leiden. »Die Sommertage mit mehr als 25 Grad Celsius werden zunehmen, sich bis Ende des Jahrhunderts wahrscheinlich sogar verdoppeln«, so Linke. Heutzutage sind im Märkischen von rund 90 kalendarischen Sommertagen nur etwa die Hälfte so warm. »Wir müssen mit heißen, trockenen Sommern rechnen«, sagt er. Brandenburg trifft das besonders, weil das Land auch unabhängig vom Klimawandel viel trockener ist als andere.
Die Niederschlagsmenge wird dabei wahrscheinlich nicht einmal abnehmen, sich aber anders verteilen. »Zwischendurch wird es Brandenburg wohl häufiger mit Starkniederschlägen zu tun bekommen«, sagt Linke. Erst Dürre, dann Starkregen - eine ungünstige Kombination. Ist ein Boden stark ausgetrocknet, nimmt seine Fähigkeit ab, Wasser aufzunehmen. Regnet es dann nach langer Trockenheit besonders stark, kann das Wasser nicht einfach versickern. Das macht besonders Bauern das Leben ähnlich schwer wie die Trockenheit, die für Pflanzen natürlich schlecht ist. »Im vergangenen Jahr hatten wir schon einen ähnlichen Fall: Im Herbst konnten viele Bauern nicht aufs Feld, um die Ernte einzuholen, weil der Boden viel zu matschig und nass war.«
Extreme Hitze ist nicht nur für die Ernte eine Gefahr, sondern auch für Menschen, besonders im höheren Alter. Warum das so ist, kann Geriatrie-Expertin Calvin Hirsch von der University of California erklären: Im Alter lasse das Herz-Kreislauf-System nach, der Körper könne seine Temperatur zudem immer schlechter durch Schwitzen selbst regulieren. Hinzu komme, dass ältere Menschen häufiger an Erkrankungen leiden, die dies noch begünstigen. »Eine alte Person mag sich vielleicht sogar gar nicht bewusst sein, dass sie durstig ist oder dass ihr zu warm ist, besonders wenn sie an Demenz leidet oder auch an Diabetes, was die Sinneswahrnehmung beeinflusst«, sagt Hirsch. »Auch manche Medikamente können die Wahrnehmung schwächen, etwa Beruhigungspillen, oder natürlich Alkohol.«
Im bislang heißesten Sommer in Europa, im Jahr 2003, starben nach Schätzungen französischer Wissenschaftler etwa 70 000 Menschen an den Folgen der Hitze, ein Zehntel davon in Deutschland.
Auch für Wälder ist es schädlich, wenn es dauerhaft zu warm ist - auch wenn Bäume sich vergleichsweise gut von schwierigen Bedingungen erholen können. »Bisher ist noch kein einziger Baum in Brandenburg wegen Trockenheit gestorben, auch nicht im Hitzesommer 2003«, sagt Ralf Kätzel, der seit vielen Jahren für das Landeskompetenzzentrum Forst Eberswalde (Barnim) den Wald in Brandenburg erforscht. »Bisher war zwischen solchen extremen Wetterereignissen aber auch immer Zeit zur Erholung.« Wenn nun aber regelmäßig Hitze und Trockenheit herrschen, ist das nicht mehr möglich. Auch mit einer Kombination aus verschiedenen Stressfaktoren - mal Dürre, dann wieder extremer Regen, milde Winter, Frost im Frühling - können Kätzel zufolge selbst die anpassungsfähigen Bäume nur schwer umgehen.
Eine weitere eher indirekte Folge des Klimawandels für Bäume: Waldbrände. Durch seine vielen leicht brennbaren Kiefern und die Sandböden ist Brandenburg besonders anfällig dafür - schon jetzt gilt es als das Waldbrandland Deutschlands. »Momentan gehen die Waldbrände zwar eher zurück, das liegt aber an dem verbesserten Wald-Monitoring«, meint Kätzel. Mit der zu erwartenden Trockenheit durch den Klimawandel steigt das Risiko.
Durch Klimaschutz, also die radikale Minderung des Treibhausgasausstoßes, ließen sich die Folgen des Klimawandels noch deutlich abmildern. In jedem Fall müssen aber Maßnahmen zur Anpassung an die Veränderungen gefunden werden. Im Falle der Landwirtschaft könnte das bedeuten, dass sich die Abläufe komplett ändern müssen. »Wenn der Winter kürzer wird, sind vielleicht zwei Vegetationsperioden pro Jahr möglich«, meint Linke vom Landesamt für Umwelt. Das Kernproblem, nämlich das Wasser-Management, wird aber bleiben. »Wenn wir mit diesen Monokulturen weitermachen und den Boden durch immer neue chemische Pflanzenschutzmittel und Dünger aussaugen, wird das schwierig.« Bewässerung werde aber, meint Linke, zur gesellschaftlichen Entscheidung: »Wenn alle Privathaushalte bereit sind, auf ihr Duschwasser zu verzichten, damit es Spargel gibt, geht es vielleicht auch so.«
In einem Bereich der Anpassung an den Klimawandel ist Brandenburg laut Linke aber schon auf einem guten Weg: beim Hochwasserschutz. Einer Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung zufolge wird auch der in Brandenburg mit dem Klimawandel wichtiger, selbst wenn in diesem Bereich Baden-Württemberg das am meisten gefährdete Bundesland ist. »Man hat aus den schweren Hochwassern der vergangenen Jahrzehnte gelernt und baut nun zum Beispiel deutlich höhere Deiche«, sagt Linke.
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