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Gefühlsreparaturbehörde
Stephan Fischer über die Einsamkeit als Politikfeld
Einsamkeit ist ein überwältigend schreckliches Gefühl. Dauerhaft ertragen, erhöht sie das Sterberisiko sogar stärker als Rauchen oder Übergewicht, konstatieren Forscher. Muss so ein Faktor nicht auch ins Bewusstsein der Politik rücken, muss er nicht auch politisch bearbeitet werden? Ja und nein. Es wäre begrüßenswert, wenn eine neue Bundesregierung an den Bedingungen schraubt, die Einsamkeit zumindest eindämmen - wie wäre es mit einem gut ausgebauten, für alle nutz- und bezahlbaren ÖPNV? Oder der Förderung von Nachbarschaftsinitiativen? Armutsbekämpfung? Doch hier liegt die Krux. Ein Gefühl kann die Politik nicht bekämpfen, sollte sie auch nicht. Ebenso wenig wird sie auch demografische Entwicklungen, die zu Einsamkeit im Alter führen, per Programm oder Projekt drehen können.
Und jetzt folgt das Ärgernis: Politik kann höchstens an den gesellschaftlichen Rahmenbedingen ansetzen - aber das muss sie auch wollen. Zugespitzt: Es ist wohlfeil, Mehrgenerationenhäuser zu loben, gleichzeitig aber nichts gegen Verdrängung durch steigende Mieten zu tun, die tausendfach soziale Bindungen zu zerreißen droht. Solange an den ökonomischen Grundfesten nicht gerüttelt, Umverteilung nicht infrage kommt - solange bleibt »Einsamkeitsbekämpfung« nichts als ein Zielen aufs Herz der Wähler. Und eine gefühlige Phrase ohne Substanz.
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