»Pegida-Anhänger und Polizisten prügeln auf Gegendemonstranten ein«

Beobachter kritisieren Polizeigewalt bei Protesten gegen AfD-Gedenken zur Bombardierung Dresdens / Polizei Sachsen will Vorwürfen nachgehen

  • Lesedauer: 4 Min.

Dresden. Bei Protesten Hunderter Antifaschisten gegen eine AfD-Kundgebung zum 73. Jahrestag der Bombardierung Dresdens kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. In die Kritik rückte über den Abend insbesondere die Polizei. Die »Leipziger Volkszeitung« sowie mehrere Beobachter berichteten von Polizeigewalt, bei Angriffen von Pegida-Demonstranten auf Gegendemonstranten hätten die Beamten zum Teil nicht eingegriffen.

Die linken Gegendemonstranten setzten sich laut der Nachrichtenagentur dpa auf Sitzblockaden, um die AfD-Demonstration zu stören, die Polizei drängte sie jedoch an den Rand des Platzes zurück. Als die Beamten die Gegendemonstranten zum Ende der Veranstaltung nicht geschlossen abziehen ließ, kam es zu Durchbruchsversuchen. Dabei setzte die Polizei auch Pfefferspray ein.

Der Liveticker der »Leipziger Volkszeitung« hingegen berichtet von mehreren Zwischenfällen rund um die Sitzblockade. Die Blockierer seien von AfD-Demonstranten angegriffen worden, wobei die Beamten nicht nur zugesehen haben sollen: »Als ein AfD-Teilnehmer zuschlägt, meint ein Polizist: Hoffentlich schlägt er hart zu«, berichtet das Blatt. Die Formulierung »Pegida-Anhänger und Polizisten prügeln auf Gegendemonstranten ein« wurde auf dem Liveticker zurück genommen, dominierte in den sozialen Medien jedoch die Zusammenfassung des Abends. Inhaltlich blieb die Zeitung bei ihren Vorwürfen: »Die Lage ist chaotisch, Pegida-Anhänger konnten zum Teil ungehindert auf Gegendemonstranten einschlagen, zum Teil schlugen Polizisten zu, oder griffen bei Rangeleien nicht ein.« Als die Gegendemonstranten eingekesselt waren, setzten »einige Beamte ihre Fäuste ein«.

Die Polizei Sachsen reagierte via Twitter auf den Vorwurf, ein Polizist habe die Gewalt eines AfD-Demonstranten positiv kommentiert. »Sollte dies so gewesen sein, dann war das Verhalten unseres Kollegen völlig daneben«, twitterte sie noch am Abend. »Dies entspricht nicht unserer Einsatzphilosophie! Wir werden dem Vorwurf nachgehen und Kontakt mit der DNN aufnehmen.« In ihrem offiziellen Polizei-Bericht schreibt die Behörde von diesen Vorfällen jedoch nichts. Den Pfeffersprayeinsatz begründet sie mit Durchbruchsversuchen gegen die Absperrung der AfD-Kundgebung. Dabei sei es auch zu einzelnen Flaschenwürfen gegen Polizeibeamte gekommen, eine Beamtin sei an der Schulter verletzt worden, »Einsatzkräfte setzten daraufhin Pfefferspray und den Einsatzmehrzweckstock gegen die Angreifer ein.«

Der Innenexperte der Grünen-Landtagsfraktion, Valentin Lippmann, kritisierte den Polizeikessel und warf der Polizei eine »chaotische Einsatzführung« vor. Auf Nachfrage habe sich ein Beamter geweigert, ihm seinen Namen oder seine Dienstnummer zu nennen. Andere Beobachter berichten von gewalttätigen Übergriffen von AfD-Demonstranten auf Journalisten. Der Polizeikessel wurde schließlich aufgelöst.

Ungeachtet dieser Auseinandersetzungen und des lautstarken Protestes legten AfD-Vertreter an einem Gedenkstein in der Mitte des Platzes Kränze nieder. An der Kundgebung beteiligten sich rund 300 Demonstranten.

Menschenkette für Versöhnung

Zuvor hatten Tausende Dresdner mit einer Menschenkette ein Zeichen für Frieden und Versöhnung gesetzt. Hand in Hand verbanden sie über zwei Brücken hinweg am Dienstagabend beide Teile der Elbestadt. Neben Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) nahm auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer teil. Die Stadt sprach von rund 11.500 Teilnehmern.

Zum Auftakt der Menschenkette hatte Hilbert auch an die derzeit 31 Kriege erinnert, die aktuell Leid über Menschen in aller Welt brächten. »Der 13. Februar 1945 war nicht einzigartig - weder im Kontext der Zerstörung europäischer Großstädte während des Zweiten Weltkriegs noch in Bezug zur Gegenwart.« Das Wachhalten der Erinnerung an die Bombardierung der Stadt sei dennoch wichtig. »Jahr für Jahr schrumpft die Generation, die selbst miterlebt hat, wie Dresden erst im braunen Sumpf versunken und dann im Feuersturm untergegangen ist«, sagte Hilbert mit Blick auf die Vergangenheit der Stadt als Hochburg der Nationalsozialisten. Aus dem 13. Februar erwachse eine Verantwortung, »nicht für die Vergangenheit, aber sehr wohl für das, was heute, morgen und übermorgen geschieht«.

Das bis zu jenem Tag nahezu unzerstörte Dresden war am 13. Februar 1945 und in den Tagen danach von britischen und amerikanischen Bombern zu weiten Teilen zerbombt worden. Bis zu 25.000 Menschen starben nach Erkenntnissen einer Historikerkommission im Bombenhagel und einem daraus folgenden Feuersturm.

Jahrelang hatten Neonazis das historische Datum immer wieder missbraucht und versucht, mit einem Opferkult die Verbrechen der Nationalsozialisten zu relativieren. Europas größter Neonazi-Aufmarsch mit rund 5000 Teilnehmern zu diesem Datum wurde jedoch von wiederholten Protesten und Blockaden des Bündnisses »Dresden Nazifrei« 2010 und 2011 beendet. Am vergangenen Samstag waren rund 500 Neonazis der lokalen Dresdner Szene aufmarschiert. Am kommenden Wochenende ist eine weitere Kundgebung von Rechtsradikalen und Holocaust-Leugnern angekündigt. nd mit Agenturen

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -