- Politik
- Holocaust-Gesetz
Warschau fordert von Landsleuten das Melden Polen-feindlicher Äußerungen
Aufruf an Auslandspolen nach Verabschiedung von umstrittenen Holocaust-Gesetz
Warschau. Im Ausland lebende Polen sollen mutmaßlich anti-polnische Äußerungen in Zukunft an die Behörden melden. Ein entsprechender Brief von Senatspräsident Stanislaw Karczewski an die Botschaften des Landes wurde am Mittwoch auf den ersten Homepages polnischer Vertretungen veröffentlicht. Über das Schreiben hatte zunächst der NDR berichtet.
»Bitte, dokumentieren Sie alle anti-polnischen Äußerungen, Darstellungen und Meinungen, die uns schaden und reagieren Sie darauf«, zitiert der NDR aus dem Aufruf des Senatspräsidenten, der der nationalkonservativen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) angehört. Nach Recherchen der Nachrichtenagentur AFP wurde er bis Mittwochabend unter anderem auf den Websites der Botschaften in Paris und Buenos Aires veröffentlicht, aber zunächst nicht in Washington oder Tel Aviv.
Im Ausland lebende Polen sollten ihre »Botschaften, Konsulate und Honorarkonsulate über jede Verleumdung, die den guten Ruf Polens beeinflusst«, informieren, heißt es in dem Aufruf weiter.
Karczewski erklärte, er sei verantwortlich dafür, »über die Interessen der polnischen Diaspora und der Polen im Ausland zu wachen«. Er richte sich daher an seine Landsleute in der ganzen Welt und bitte sie, »alle Aussagen im Zusammenhang mit Gräueltaten und Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des Zweiten Weltkriegs zu dokumentieren und zu sammeln«. Es gehe darum, die Erinnerungen der letzten Zeugen von »Unrecht gegenüber Juden sowie Polen, Roma und allen anderen Opfern« vor dem Vergessen zu bewahren.
Er rief im Ausland lebende Polen auf, Seminare, Ausstellungen und Begegnungen sowie Briefkampagnen zu organisieren, »um die historische Wahrheit wirkungsvoll in Erinnerung zu rufen«.
Lesen Sie auch: Eine Analyse zum Holocaust-Gesetz und die polnische Geschichtspolitik
Dem NDR zufolge wurde das dreiseitige Schreiben in Deutschland bereits über das polnische Generalkonsulat in München per Mailverteiler an in Süddeutschland lebende Polen verschickt. Das Konsulat in Hamburg habe angekündigt, das Schreiben am Donnerstag sowohl auf der eigenen Homepage als auch per Mailverteiler zu veröffentlichen.
Polens Botschafter in Berlin, Andrzej Przylebski, erklärte auf Anfrage des NDR, bei dem Aufruf handele es sich um »die üblichen Aufgaben einer diplomatischen bzw. konsularischen Vertretung«.
In Polen war in der vergangenen Woche ein umstrittenes Holocaust-Gesetz in Kraft getreten. Es stellt nicht nur die historisch falsche Bezeichnung von NS-Todeslagern im besetzten Polen als »polnische Lager« unter Strafe. Es sieht auch Geldstrafen und bis zu drei Jahre Gefängnis vor, wenn der »polnischen Nation oder dem polnischen Staat« eine Mitschuld an den Nazi-Verbrechen gegeben wird.
Die israelische Regierung, aber auch Vertreter aus Wissenschaft und Kultur hatten kritisiert, dass das Gesetz damit zur Verschleierung polnischer Verbrechen an Juden im Zweiten Weltkrieg beitragen könnte. Israel befürchtet negative Konsequenzen für Überlebende des Holocaust, die derartige Fälle zur Sprache bringen. Auch andere Länder wie etwa die USA und Frankreich kritisierten die Novelle der nationalkonservativen polnischen Regierung. AFP/nd
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!