Für Andrej Babis wird die Luft dünn

Verlorener Rechtsstreit und meuternde Minister - Tschechiens Wahlsieger hat Probleme, eine Regierung zu bilden

  • Jindra Kolar, Prag
  • Lesedauer: 3 Min.

Für Andrej Babis wird die Luft dünn. In Bratislava hat das Regionalgericht eine Klage des Gründers der populistischen Bewegung ANO gegen die slowakische Aufarbeitungsbehörde abgewiesen. Das Institut des Nationalen Gedächtnisses (UPN) hatte tschechoslowakische Geheimdienstunterlagen veröffentlicht, nach denen der 63-jährige Milliardär als informeller Mitarbeiter der damaligen Staatssicherheit (StB) identifiziert werden könne. Und in Prag musste der Wahlsieger von 2017 eine wichtige politische Absage hinnehmen. Dan Tok, Minister für Transport und Verkehr, kündigte an, nicht mehr für eine weitere Regierung von Babis zur Verfügung zu stehen, sollte diese von der Unterstützung der Rechtsaußenpartei Freiheit und direkte Demokratie (SPD) des japanisch-tschechischen Unternehmers und Politikers Tomio Okamura abhängen.

Okamura und ein anderer SPD-Politiker hatten kürzlich erklärt, es habe in Lety bei Pisek zur Zeit der nazideutschen Besetzung kein Konzentrationslager für Roma gegeben. Die Deutschen hätten lediglich ein Arbeitslager errichtet, in dem Roma Unterkunft fanden. Dieses Lager sei nicht einmal eingezäunt gewesen. Eine Ungeheuerlichkeit sei diese Aussage, so Politiker aller anderen Parteien. Opferverbände stellten - wie bereits 2014 - Strafanzeige wegen Verunglimpfung und Leugnung des Holocausts an Sinti und Roma. Und Tok steht bei ANO nicht allein. Auch Justizminister Robert Pelikán und Außenminister Martin Stropnický wollen jetzt nicht mehr zu einem Kabinett gehören, das von der SPD gestützt wird.

Das hatte sich Babis ganz anders vorgestellt. Nicht zuletzt dank seines Medienimperiums hatte er die Protestbewegung unzufriedener Bürger vergangenen Oktober zu einem deutlichen Erfolg bei den Parlamentswahlen geführt. 78 von 200 Mandaten entfallen auf ANO-Abgeordnete. Babis selbst macht sich, unterstützt von Staatspräsident Milos Zeman, Hoffnung auf den Posten des Regierungschefs. Den jedoch kann er nur erreichen, wenn er entweder eine Koalition auf die Beine stellt oder wenigstens die Duldung des Parlaments für eine Minderheitsregierung erlangt. Letzteres jedoch, das zeigte sich bei der Vertrauensabstimmung im Januar, bekommt er nicht. Deswegen musste das erste Kabinett Babis zurücktreten.

Zum Erfolg beim zweiten Anlauf, den Zeman dem ANO-Chef trotz der polizeilichen Ermittlungen wegen Subventions- und Steuerbetrugs einräumt, sollte nun die Zustimmung der SPD führen. Mit der Reaktion seiner Minister hatte Babis nicht gerechnet. Jetzt bleibt noch die Option einer großen Koalition mit den Sozialdemokraten (CSSD). Eine Variante, die Babis vor und nach den Wahlen noch ausgeschlossen hatte. Denn es war der sozialdemokratischen Ministerpräsident Bohuslav Sobotka, der nach Aufdeckung des Steuerskandals und der Unruhe um die illegale EU-Finanzierung des im Babis-Besitz befindlichen Spas »Storchennest« den Rücktritt des damaligen Finanzministers gefordert hat.

Daraufhin kündigten beide Parteien an, künftig nicht mehr auf der Regierungsbank zusammenarbeiten zu wollen. Nun jedoch wollen die Sozialdemokraten am Sonntag die Option einer Koalition diskutieren. Sollte die CSSD zu keinem positiven Beschluss kommen, will Babis nicht weiter kandidieren, sondern vorzeitige Neuwahlen anstreben.

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