Handelsboom geht an Hamburg vorbei

Digitalisierung, Hafen 4.0 und ein neuer Kommunikationsstandard sollen mehr Schiffe in den Hafen locken

  • Hermannus Pfeiffer, Hamburg
  • Lesedauer: 3 Min.

Hamburgs parteiloser Wirtschaftssenator Frank Horch drückt der SPD-Spitze die Daumen, dass die Parteimitglieder der großen Koalition in Berlin zustimmen. Wie die gesamte Hafenwirtschaft begrüßt auch Horch den Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD. Der Vertrag greife die »wesentlichen Anliegen der deutschen Hafenwirtschaft auf«. Das werde auch Zeit, hieß es auf der Jahrespressekonferenz der Hamburg Hafen Marketing (HHM) in der Hansestadt. Denn der Aufschwung des Welthandels geht an Deutschlands größtem Hafen vorbei.

Zwar ist der Seegüterumschlag mit 136,5 Millionen Tonnen in Hanburg »sehr stabil geblieben«, sagte HHM-Vorstand Axel Mattern am Mittwoch. Doch die großen Konkurrenten ziehen davon. Während in der Elbestadt sowie in Bremen der wichtige Containerumschlag stagniert, legte er 2017 in Antwerpen (plus vier Prozent) und in Europas Nummer eins Rotterdam (plus zehn Prozent) deutlich zu.

Rotterdam lockt Reeder mit Dumpingpreisen an, um die Kais seines fünf Milliarden Euro teuren Projekts »Maasvlakte II« zu belegen. Die beiden norddeutschen Städte dagegen beklagen, dass Fahrrinnenanpassungen bei ihnen bislang ausblieben. HHM geht davon aus, dass nach einer Elbvertiefung jedes Großcontainerschiff 1600 Boxen mehr nach Hamburg bringen könnte. Senator Horch sieht sich allerdings nun fast am Ende eines 16-jährigen Vorbereitungsprozesses angekommen. In diesem Jahr soll endlich die Baugenehmigung erfolgen.

Nur am Rande der Pressekonferenz wurde über andere Baustellen gesprochen. Der Zusammenbruch der koreanischen Reederei Hanjin hat den zweitgrößten Hamburger Hafenbetrieb Eurogate schwer getroffen. Und wo früher 80 Reeder um Kaiplätze buhlten, haben heute drei große Reeder-Allianzen das Sagen. Wovon zurzeit vor allem die Nummer eins in Hamburg, die teilstaatliche HHLA, profitiert. Gleichzeitig jedoch liegen Teile des Hafens seit langem brach, weil die Bauplanung lahmt. Zudem hat es der Bund versäumt, genügend Zollbeamte in den Häfen zu stationieren. Teilweise dauerten Abfertigungen zwei Wochen lang. Auch steuerlich sind deutsche Seehäfen im Nachteil gegenüber den Wettbewerbern aus den Beneluxstaaten und Skandinavien. Im Berliner Koalitionsvertrag verspricht die GroKo nun Besserung.

Doch in Hamburg bleibt man an Deck, sang schon Stadtlegende Hans Albers in seinem Lied »Das Herz von St. Pauli«, auch wenn das Lebensschiff ein Leck habe. Und so wird alle Hoffnung in die Digitalisierung gesetzt. Neuestes Projekt ist der Hafen als Testfeld für den neuartigen Kommunikationsstandard »5G«. Das Turbo-Datennetz soll zehnmal schneller sein soll als der modernste LTE-Standard. Es wird vor der europaweiten Einführung 2020 seit Anfang des Monats zwei Jahre lang von der Europäischen Union exklusiv in Hamburg und Venedig getestet.

Hamburgs Hafen-Chef Jens Meier, im Nebenberuf Präsident des HSV, schwärmt von Unterwasser-Drohnen, die Kaikanten inspizieren und Umweltverschmutzungsdaten von den Kreuzfahrtterminals in Echtzeit melden. Auch ein stetiger Verkehrsfluss der Lkw durch bedarfsgerechte Ampelschaltungen im Hafen wird angestrebt. Dazu wird auch das Glasfasernetz ausgebaut. Mobil und stationär sollen einmal 100 Megabit in der Sekunde garantiert werden. 4000 Unternehmen, so Meier, hätten Nutzen davon. Wie weit das Breitband in Deutschland davon entfernt ist, zeigen Zahlen der Netzagentur. 250 000 Handynutzer und 440 000 Festnetzkunden hatten nachgemessen, welche Geschwindigkeiten ihr Anschluss tatsächlich schafft. Die in den Verträgen fixierten Höchstleistungen wurden bei 90 Prozent der Messungen nicht erreicht.

Ob der »Hafen 4.0« der Elbmetropole eine rosige Zukunft beschert, wie Senator Horch hofft, bleibt abzuwarten. Immerhin aber wähnt man sich durch das EU-Projekt »5G« in der Spitzenposition der Hafenbranche.

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