Beim Asyl setzt Macron auf Härte
Frankreichs Regierung legt umstrittenes Gesetz vor / Kritik auch in der eigenen Bewegung
Im Präsidentschaftswahlkampf vor einem Jahr hat Emmanuel Macron die Ausländer, die mit der Flucht übers Mittelmeer ihr Leben riskieren, noch als »Helden« bezeichnet. Was ihm heute vor allem am Herzen liegt, ist eine »effiziente Politik der Rückführung über die Grenze«. Dem soll das neue Einwanderungs- und Asylgesetz dienen, dessen Entwurf am Mittwoch vom Ministerrat unter Vorsitz des Präsidenten verabschiedet wurde und in Kürze ins Parlament eingebracht wird. Es sieht eine Straffung des Asylverfahrens, das bisher nicht selten eineinhalb Jahre dauerte, auf maximal sechs Monate vor. Andererseits wird die zulässige Dauer von Abschiebehaft für abgelehnte Asylbewerber und für illegale Ausländer von heute 45 auf 90 Tage verlängert.
Für Ausländer, die bei Gericht gegen die Ablehnung ihres Asylantrags Einspruch einlegen, verlängert sich die Haft sogar auf 135 Tage. So soll verhindert werden, dass Abschiebekandidaten wieder auf freien Fuß gesetzt werden müssen, wenn ihr Heimatland nicht rechtzeitig grünes Licht für die Rückführung gibt. Flüchtlingen, die unerlaubt über die Grenze kommen, wird Gefängnishaft und bis zu 3750 Euro Geldstrafe angedroht. Und wer als illegaler Ausländer im Lande lebt und dabei gefälschte Papiere benutzt, kann mit bis zu vier Jahren Gefängnis und 75 000 Euro Geldstrafe verurteilt werden.
Mit »Härte und Humanität« wollte Macron den ausländischen Flüchtlingen begegnen, doch an die Stelle von Humanität ist bestenfalls Pragmatismus getreten. So wird ausländischen Studenten, die in Frankreich ein Studium abgeschlossen haben, eine Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung in Aussicht gestellt, wenn ihre Qualifikation auf dem Arbeitsmarkt gefragt ist. Vor der Wahl hat Macron bedauert, dass wegen der höheren Arbeitslosigkeit im Lande viel weniger Flüchtlinge nach Frankreich kommen als beispielsweise nach Deutschland, denn »die Einwanderer sind eine Kraft, die wir brauchen«.
Seine Worte haben seinerzeit viele links eingestellte Franzosen angesprochen. »Macron hat nicht zuletzt dank der linken Wähler, denen Fortschritt und Moral am Herzen liegt, gewonnen«, ist Pierre Henry, Präsident der Hilfsorganisation France terre d’asile, überzeugt. »Wir haben doch tatsächlich geglaubt, dass er eine maßvolle Ausländerpolitik betreiben wird.« Diese Träumer sind spätestens aufgewacht, als Macrons Innenminister Gérard Collomb ein Rundschreiben an alle Präfekten schickte. Sie wurden beauftragt, in den Flüchtlingsaufnahmeheimen detailliert alle Ausländer zu erfassen, getrennt nach solchen mit der Aussicht auf politisches Asyl und den anderen, bei denen es sich zumeist um »Armutsflüchtlinge« handelt.
Zunächst glaubten viele an einen »Ausrutscher«, doch Macron selbst stellte klar, dass es sich um einen Beweis für die »Effizienz« seiner Politik handele. Tatsächlich haben sich rechte wie linke Regierungen seit Jahren die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber und anderer illegal ins Land gekommener Ausländer immer wieder zum Ziel gesetzt, das dann aber letztlich nur halbherzig umgesetzt. Macron ist überzeugt, die »schweigende Mehrheit« der Franzosen hinter sich zu haben, wenn er jetzt in dieser Frage Konsequenz zeigt.
Dabei nimmt der Präsident in Kauf, nicht nur die Hilfsvereine und -verbände, sondern auch viele Franzosen zu verprellen, die sich aus humanitärer Überzeugung für die Flüchtlinge engagieren. Selbst in der von ihm gegründeten Bewegung Le République en marche (LREM) regt sich Widerspruch. Einer der kritischen LREM-Abgeordneten meinte jetzt hinter vorgehaltener Hand: »Macron ist ein Taktiker und Opportunist, der die Ausländerfrage innenpolitisch instrumentalisiert.«
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