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»In einer Position der Verletzlichkeit«

Zwei Gewerkschafterinnen über das Potenzial der Arbeiterbewegung in den USA unter Donald Trump

  • Katharina Schwirkus
  • Lesedauer: 6 Min.
In welcher Beziehung stehen die Gewerkschaften in den USA zum neuen Präsidenten Donald Trump?

Katy Fox-Hodess: Es gibt Gewerkschaften, vor allem aus der Baubranche und im Infrastrukturbereich, die Trump unterstützen. Das hat etwas damit zu tun, dass die Projekte wie die Gaspipeline in Alaska oder die Mauer zu Mexiko Arbeitsplätze für diese Branchen bedeuten. Deswegen wollen sie diese Projekte gerne realisiert sehen. Es handelt sich hierbei um die Gewerkschaften, die historisch gesehen, sowieso eher konservativ ausgerichtet sind. Der Versuch Trumps, das NAFTA-Abkommen (Freihandelsabkommen zwischen den USA, Kanada und Mexiko, Anm. d. Red.) neu zu verhandeln, wurde ebenfalls von einigen anderen industriellen Gewerkschaften unterstützt, weil es eine alte gewerkschaftliche Forderung ist, dass das NAFTA gekündigt oder neu verhandelt wird.

Amanda Armstrong und Katy Fox-Hodess

Amanda Armstrong (l.) und Katy Fox-Hodess sind Redaktionsmitglieder der marxistischen Zeitschrift »Viewpoint Magazine« und in der studentischen Gewerkschaft der Universität Berkeley (UC Student-Workers Union) organisiert. Fox-Hodess forscht in ihrer Promotion an der Universität Berkeley zu der internationalen Solidarität von Hafenarbeitern und ist seit ihrem Studium gewerkschaftlich aktiv. Armstrong war eine der Organisatorinnen des Women's Strike (Frauenstreik), der am 8. März 2017 in den USA stattfand und arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der University of Michigan. In ihrer Dissertation beschäftigte sie sich mit Strategien der britischen Arbeiterklasse Mitte des 19. Jahrhunderts, sich gegen Arbeitsunfälle abzusichern. Über aktuelle Herausforderungen und das Mobilisierungspotenzial der Gewerkschaften in den USA sprach mit ihnen für das »nd« Katharina Schwirkus.

Wie schafft Trump es, die Arbeiter anzusprechen?

Fox-Hodess: Die Art und Weise, wie sich Trump als Populist inszeniert hat, hat ihm definitiv dabei geholfen, Unterstützung aus dem Arbeitermilieu zu erhalten. Aber wenn man das ganze Spektrum der Gewerkschaften betrachtet, sieht man, dass die meisten doch eher gegen Trump eingestellt sind.

Woher kommt diese ablehnende Haltung?

Fox-Hodess: Ich denke eine der Aktionen Trumps, die die Gewerkschaften am direktesten betreffen, sind seine Ernennungen im National Labor Relations Board (zu Deutsch: Nationaler Vorstand gewerkschaftlicher Beziehungen). Diese Behörde ist so etwas wie ein Oberstes Gericht, das die industriellen Beziehungen in den USA regelt und regiert. Das Handeln der Behörde ist sehr von ihren Mitgliedern abhängig, da diese politische Gesandte sind. Seit Trumps Ernennungen sind es nun überwiegend Rechte, die wichtige Posten besetzen. Und daneben werden natürlich alle sozialen Kürzungen, die Trump veranlasst, Gewerkschaftsmitglieder und Arbeiter besonders betreffen.

In wie fern spielen die Gewerkschaften im Protest gegen Trump eine Rolle?

Amanda Armstrong: Ein wichtiges Projekt ist »Labor Rising Against Trump« (zu Deutsch etwa Rebellierende Arbeiter gegen Trump), eine Gruppe von Gewerkschaftsgruppen, die vor allem in und im Umkreis von San Francisco aktiv sind. Geleitet wird diese Bewegung von Hafenarbeitern, mit dabei sind auch Gewerkschaften für Beschäftigte im akademischen Bereich. Diese Bewegung war sehr an der Mobilisierung für Demonstrationen gegen Trump beteiligt. Vom Women’s March (Protestmarsch für Frauen), gleich nach seinem ersten Tag im Amt, bis zu Aktionen am Hafen. Es ist also eine Dynamik, die regional unterschiedlich stark ausfällt, wenn man an die Beteiligung von Gewerkschaften an den Massendemonstrationen gegen Trump denkt.

Wie stehen die Gewerkschaften allgemein da, wenn man an ihr Mobilisierungspotenzial und an ihre Mitgliederzahlen denkt?

Fox-Hodess: Auf der nationalen Ebene sind die Gewerkschaften momentan eher schwach und unbeweglich. Das hat sicher zum Teil mit ihrer Beziehung zu den Demokraten zu tun. Die Demokratische Partei zeigt nicht wirklich Stärke dabei, die Opposition zu Trump zu verkörpern und übernimmt keine Führungsrolle. Ich denke, dass die Gewerkschaftsbewegung sich nicht traut, die Demokraten voranzutreiben oder Positionen zu beziehen, die weitergehen, als das, was von den Demokraten signalisiert wird. Aber ich denke, es gibt noch einen anderen wichtigen Aspekt, der eigentlich nichts mit Trump zu tun hat.

Welchen?

Fox-Hodess: Es handelt sich um eine Entscheidung des Obersten Gerichts, die wahrscheinlich dieses Jahr getroffen wird. Die Erwartung ist, dass diese Regelung sehr negativ für die Gewerkschaften sein wird und letztendlich dazu führen wird, dass alle staatlichen Gewerkschaften einen Großteil ihrer finanziellen Mittel verlieren werden. In den USA ist dies besonders signifikant, weil es sehr wenige Gewerkschaften im privaten Sektor gibt: Nur etwa fünf Prozent der Beschäftigten im privaten Sektor sind gewerkschaftlich organisiert, während es im öffentlichen Sektor etwa ein Drittel der Beschäftigen ist.

Worum geht es bei dieser Entscheidung genau?

Armstrong: Bisher gibt es ein Gesetz, das bestimmt, dass Arbeitnehmer im öffentlichen Sektor, die von einer bestimmten Gewerkschaft repräsentiert werden, einen Teil des Mitgliedsbeitrag zahlen müssen, auch wenn sie sich entscheiden, nicht in die Gewerkschaft einzutreten. Der Oberste Gerichtshof könnte dieses Gesetz für nichtig erklären. Das würde bedeuten, dass Nicht-Mitglieder gar kein Geld mehr an die Gewerkschaft zahlen müssen, von der sie repräsentiert werden.

Wie bereiten sich die Gewerkschaften auf die Entscheidung vor?

Fox-Hodess: Sie warten wie erstarrt auf das Urteil und sind absolut unvorbereitet auf das, was danach folgen wird. Sie sind daher in einer Position der Verletzlichkeit.

Wie kam das Thema überhaupt auf die Agenda des Gerichtshofes?

Armstrong: Wenngleich diese anstehende Entscheidung nicht auf eine Initiative der Republikaner zurück geht, zeigt sie einen Prozess, den wir beim Obersten Gericht öfter beobachten: Wenn es einen neuen Präsidenten gibt, erleben wir, dass es danach Kampagnen für bestimmte Fälle gibt, über die das Oberste Gerichts entscheiden soll. Damit soll der Präsident in eine bestimmte Richtung getrieben werden. Was die konkrete Entscheidung betrifft, handelt es sich definitiv um eine solche Kampagne, die von rechten Gruppen geführt wurde, um die politische Arbeit von Gewerkschaften zu untergraben.

Wie kommt es, dass die restriktive Politik gegen Gewerkschaften so auf dem Vormarsch ist?

Fox-Hodess: Die rechten Politiker sind in den letzten Jahren vor den Präsidentschaftswahlen sehr strategisch vorgegangen. Daher haben viele Bundesstaaten jetzt diese »Right-to-work« (»Recht zu arbeiten«) Gesetzgebungen. Das hört sich sehr positiv an, aber tatsächlich handelt es sich um Gesetze, die sich gegen die Bildung und das Handeln von Gewerkschaften richten. Um zu verstehen, warum Arbeiter Trump wählten, muss man sehen, dass diese Gesetze in Staaten verabschiedet wurden, in denen Gewerkschaften historisch eher stark waren und in denen eher die Demokraten die Wahlen gewannen.

Was beinhalten diese Gesetze und in welchen Staaten sind sie in Kraft getreten?

Armstrong: Die Gesetze umgehen das föderale Gesetz, dass Arbeitnehmer für die Gewerkschaft Mitgliedsbeiträge bezahlen, die sie vertritt. Sie wirken nur in den Staaten, in denen sie verabschiedet wurden, untergraben aber das föderale System. Sie sind ein Vorgeschmack auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes.
Fox-Hodess: In Kraft getreten sind solche Gesetze bereits in Michigan und Wisconsin, die bei diesen Wahlen zum ersten Mal für den konservativen Kandidaten stimmten und sonst die Demokraten wählten. Ich denke, dass dieser Aspekt in der Analyse über Trumps Erfolg zu wenig berücksichtigt wurde. Die restriktive Gewerkschaftspolitik, die von Staat zu Staat vorgenommen wurde, spielt auf lange Sicht eine wichtige Rolle. Dies gilt besonders für das Wählerrepertoire der Demokraten, für die Gewerkschaftsmitglieder mit die wichtigste Zielgruppe sind.

Wenn die Gewerkschaften so geschwächt sind, wie konnten sie dann in Seattle 2015 erfolgreich für die Anhebung des Mindestlohns kämpfen?

Fox-Hodess: Es ist wichtig zu verstehen, dass sich die Situation von Staat zu Staat stark unterscheidet. Es gibt Staaten wie Kalifornien oder New York, wo es immer noch sehr starke Gewerkschaften gibt und ein hoher Anteil der Beschäftigten gewerkschaftlich organisiert ist, vergleichbar mit Ländern Westeuropas. Demgegenüber ist die Situation in anderen Staaten, im Zentrum der USA oder im Süden, eine ganz andere: Die Gesetze sind sehr restriktiv und in einigen Staaten sind daher nur ein bis drei Prozent der Beschäftigten gewerkschaftlich organisiert. In Staaten, wo die gesetzliche Lage positiver ist und wo Gewerkschaften auch historisch stärker verankert sind, können Arbeiter noch immer Erfolge erzielen, trotz Trumps Politik. Aber die nationale Situation der Gewerkschaften sieht sehr düster aus.

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