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Neuer Prozess ohne neue Beweise
In Chile sind elf freigesprochene Mapuche erneut wegen Mordes an einem Großgrundbesitzerehepaar angeklagt
Die Aufklärung lässt weiter auf sich warten. Fünf Jahre sind vergangen, seitdem die Großgrundbesitzer Vivian Mackay (69) und Werner Luchsinger (75) in der Nacht zum 4. Januar 2013 bei einem Angriff auf ihr Anwesen ums Leben gekommen sind. Der einzige Verurteilte in diesem Fall ist bisher Celestino Cordova, ein Machi (Heiler und bedeutende spirituelle Persönlichkeit). Er befindet sich seit dem 13. Januar in Hungerstreik, um Zugang zu seinem Rehue (eine Art Altar der Machis, d. Red.) zu fordern, den er braucht, um seine Funktion als Machi auszuüben. Neben ihm wurden elf weitere Mapuche-Aktivisten beschuldigt, das Ehepaar mit Schusswaffen angegriffen und anschließend ihr Haus in Brand gesetzt zu haben. Sie stehen ab dem heutigen Montag zum zweiten Mal vor Gericht - beim ersten Mal endete der Prozess 2017 mit Freispruch.
Der erste Prozess dauerte zwei Monate. Die Richter kamen zu dem Schluss, dass die vorgebrachten Beweise nicht ausreichend für eine Verurteilung seien. Einer der wichtigsten Anhaltspunkte der Anklage waren die ersten beiden Aussagen des Angeklagten José Peralinos. Gegenüber Beamten der Kriminalpolizei PDI hatte er behauptet, mit den anderen zehn Beschuldigten am Tag vor der Tat an einem Treffen teilgenommen zu haben. Dort hätten sie den Entschluss gefasst, das »Haus des Gringos niederzubrennen«. Dann seien sie mit Schusswaffen und Brandbeschleuniger zum Grundstück der Familie gefahren.
Die Angeklagten beteuern allerdings, dass es dieses Treffen nie gegeben habe. Machi Francisca Linconao, die in der Version Peralinos Drahtzieherin des Treffens und der Tat ist, bestreitet sogar, die Angeklagten zu kennen. Auch die Beobachtungen von Nachbarn und Nachtwächtern stimmen nicht mit der Aussage überein. Als Peralino in einer späteren Erklärung seine vorherigen Aussagen widerrief und behauptete, von Beamten der PDI bedroht worden zu sein, verloren seine Aussagen weiter an Glaubwürdigkeit. Besagte Beamten hätten ihm Geld geboten, Überwachungsfotos von ihm und seiner Freundin gezeigt und gedroht, seine Familie in Gewahrsam zu nehmen, um eine Beschuldigung der zehn Angeklagten zu erpressen.
Die Familie der Opfer, die Staatsanwaltschaft, sowie die Regierung halten trotzdem an der Version der vorherigen Aussagen Peralinos fest und legten eine Nichtigkeitsklage am Berufungsgericht ein. Demzufolge hätten die Richter wichtige Elemente in ihrem Urteil nicht berücksichtigt. Ende des vergangenen Jahres gab das Berufungsgericht der Klage statt, annullierte das Urteil der Richter und ordnete die Wiederholung des Prozesses an.
Machi Francisca Linconao beteuert in einer öffentlichen Erklärung ihre Unschuld und sagt im Hinblick auf den neuen Prozess, es gäbe »keinen Beweis, der eine unschuldige Person verurteilen kann«. Weiterhin prangert sie die fehlende Gerechtigkeit für die Indigenen an: »Es gibt keine Anerkennung der Mapuche als Volk. Nie wollten sie (der chilenische Staat, Anm. d. Red.) uns und wollen uns noch immer nicht als Volk anerkennen.«
Die Mapuche kämpfen seit Jahren für ihre Anerkennung und Rechte als ursprüngliche Bevölkerung Südchiles. So gibt es immer wieder Proteste gegen die Abholzung heimischer Wälder und die Verschmutzung von Flüssen, Seen und Küstengebieten durch in- und ausländische Großunternehmen. Mit Eukalyptus- und Tannenmonokulturen für die Pappeindustrie sowie Lachszuchten und Wasserkraftwerken versuchen diese, Kapital aus dem südamerikanischen Andenland zu schlagen. Die Ländereien der Firmen sind zu einem großen Teil im Besitz von Nachfahren europäischer Siedler. Das meiste sind Ländereien, die bis zu ihrer Vertreibung von den Mapuche besiedelt worden waren. Heute fordern zahlreiche Aktivisten diese zurück und stoßen dabei meist auf Zurückweisung vonseiten des Staates. Der unterstützt stattdessen die Großkonzerne, die mit ihren Projekten große Gewinne einfahren. Ein hartes Vorgehen gegen Mapuche durch Kräfte der Polizei, wie sie Peralino anprangert, ist keine Seltenheit.
So ist erst vor wenigen Wochen die Fälschung von Beweisen durch die Militärpolizei der Carabineros in der »Operación Huracán« bekannt geworden, um eine Gruppe von acht Mapuche-Aktivisten wegzusperren. Ein Schlüsselelement in der Repression chilenischer Behörden gegen die Indigenen ist das Antiterrorgesetz, das noch aus Zeiten der Militärdiktatur von Augusto Pinochet (1973 bis 1990) stammt und mit dem schon viele Aktivisten für Monate ohne Gerichtsprozess in Untersuchungshaft verschwanden.
Auch die elf Angeklagten im Fall Luchsinger-Mackay verbrachten teilweise eineinhalb Jahre in Untersuchungshaft und wurden auch nach der Annullierung des Urteils unter Hausarrest gestellt. Zu welchem Ergebnis die Richter im neuen Prozess kommen, bleibt abzuwarten. Neue Erkenntnisse im Fall gibt es keine. Trotzdem werden die Beschuldigten ein weiteres Mal Opfer repressiver Maßnahmen und müssen sich ein zweites Mal gegen die Anschuldigungen der Staatsanwaltschaft, der Regierung und zahlreicher Politiker verteidigen.
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