Man kennt sich

SPD-Netzwerk widmet sich den Interessen von Konzernen. Gute Verbindungen bestehen auch zu Andrea Nahles

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 4 Min.

Als der Bonner SPD-Sonderparteitag am 21. Januar mit 56 Prozent grünes Licht für Koalitionsverhandlungen mit der Union gab, ließ die freudige Zustimmung des Vereins Wirtschaftsforum der SPD e. V. nicht lange auf sich warten. »Eine Richtungsentscheidung, die Zuversicht erlaubt!«, lautet der Titel einer Erklärung, die der Verein auf seiner Website spd-wirtschaftsforum.de veröffentlichte. »Die Führung der SPD hat gute Argumente vorgebracht und Führungsstärke gezeigt. Martin Schulz, Andrea Nahles und andere haben die Partei vor einer existentiellen Krise gerade noch bewahren können. Verantwortungsethik hat sich gegen Gesinnungsethik durchgesetzt«, so die Erklärung im Wortlaut.

Seit seiner Gründung im Jahre 2015 scheint das Forum eine wichtige Rolle bei der Durchsetzung der Interessen von Großkonzernen, Banken und Versicherungen in der Sozialdemokratie zu spielen. In dem von Parteistrukturen unabhängigen und mit üppigen Finanzen ausgestatteten Verein haben sich Unternehmer und Spitzenmanager aus der Wirtschaft mit SPD-Parteibuch und besonderer Nähe zu den Entscheidungsträgern in der SPD zusammengeschlossen. Er zählt dem Vernehmen nach derzeit rund 300 Mitglieder, die nach eigenen Angaben »aus allen Branchen« kommen und auch namhafte Konzerne wie Airbus, Allianz, Bosch, Evonik, Microsoft und Siemens vertreten. Als Mindestjahresbeitrag werden 2000 Euro erhoben, viele dürften aber deutlich mehr entrichten. Das Wirtschaftsforum gehört neben vielen Konzernen, Banken, Versicherungen und Wirtschaftsverbänden zu den Sponsoren und Standbetreibern von SPD-Parteitagen.

Gründungspräsident des Wirtschaftsforums ist der langjährige Preussag- und TUI-Konzernchef Michael Frenzel, der auch in Aufsichtsräten von NordLB und Volkswagen saß und nach wie vor dem Aufsichtsrat der Deutschen Bahn angehört. Für Frenzel bedeute soziale Gerechtigkeit vor allem »Leistungsgerechtigkeit« und nicht Umverteilungspolitik, berichtete die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« im vergangenen Oktober.

Schatzmeister und Nummer zwei im Präsidium ist Harald Christ, der nach eigenen Angaben als »Top-Finanzmanager« beim Ergo-Versicherungskonzern, bei der Postbank und der Bausparkasse BHW tätig war und 2009 dem damaligen SPD-Kanzlerkandidaten und heutigen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier als Schattenwirtschaftsminister diente. Im Präsidium des Forums sitzen auch Martin Iffert, Präsident der WirtschaftsVereinigung Metalle, und Herwart Wilms, Vizepräsident des Bundesverbands der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft.

Geschäftsführer des Vereins und Manager in der Geschäftsstelle im Berliner Regierungsviertel ist Frank Wilhelmy. Der einstige Juso-Spitzenfunktionär aus Rheinland-Pfalz gilt als entscheidender Entdecker, Coach und Förderer der designierten SPD-Bundeschefin Andrea Nahles. Er verhalf der jungen Frau aus der Eifel in den 90er Jahren zur ersten Etappe einer steilen Karriere von der Juso-Landesvorsitzenden zur Juso-Bundeschefin und Bundestagsabgeordneten. Später war Wilhelmy SPD-Landesgeschäftsführer in Niedersachsen und ab 2007 nach eigenen Angaben »Politik- und Unternehmensberater mit langjähriger Erfahrung auf den Feldern Marken-Kommunikation, Kampagnen und Strategieentwicklung in Wirtschaft, Verbänden und Politik«.

Nahles, Wilhelmy und Christ kennen sich aus gemeinsamen Juso-Zeiten in Rheinland-Pfalz, wo 1991 mit Rudolf Scharping erstmals ein SPD-Mann die Landesregierung übernahm. Während Christ damals dem rechten Flügel innerhalb des Jugendverbands um den konservativen »Seeheimer Kreis« angehörte, galt Wilhelmy als Protagonist des »Stamokap«-Flügels und Hannoveraner Kreises, der sich in Worten »antikapitalistisch« und »antimilitaristisch« gebärdete. Führende »Stamokap«-Jusos waren damals übrigens auch der heutige Hamburger Bürgermeister und derzeitige kommissarische SPD-Chef Olaf Scholz sowie der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling.

Doch die ideologischen Differenzen zwischen den Strömungen schmolzen schon in den 90er Jahren rasch dahin. So zog sich Wilhelmy angesichts SPD-interner Debatten Mitte der 90er Jahre über eine Beteiligung der Bundeswehr an weltweiten UNO-Militäreinsätzen in Juso-Kreisen den Spitznamen »Blauhelmy« zu und warf die »marxistischen« Versatzstücke aus der »Stamokap«-Theorie zunehmend über Bord. »Das sind typische Diagonalkarrieren vom Antikapitalisten zum Handlanger des Kapitals, brutal und anpassungsfähig«, beschreibt gegenüber »nd« ein SPD-Basismitglied und Zeitzeuge aus rheinland-pfälzischen Juso-Kreisen der 90er Jahren diese Entwicklung. »Man kennt sich und ist bestens vernetzt.« So spricht vieles dafür, dass mit einer Partei- und Fraktionsvorsitzenden Nahles, einem möglichen Bundesfinanzminister Olaf Scholz und Wilhelmy als Strippenzieher und Berater im Hintergrund alte Seilschaften auch an der Spree weiter gedeihen.

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