- Politik
- Niederlage für Victor Orban
Hoffnung für Ungarns Opposition
Kandidat Peter Marki-Zay gewinnt unerwartet Kommunalwahl in Fidesz-Hochburg
Die dunkle Vorahnung des Wahldebakels hatte den bekanntesten Sohn der ungarischen Provinzstadt Hodmezövarsarhely (Neumarkt an der Theiß) offenbar schon bei der Stimmabgabe beschlichen. Unermüdlich war Janos Lazar, der umtriebige Kabinettschef von Premier Viktor Orban, in den letzten Wochen vor der Bürgermeisterwahl in seiner Heimatstadt im Wahlkampfeinsatz. Doch am Wahltag mied das wortgewaltige Sprachrohr der rechtspopulistischen Fidesz-Partei völlig ungewohnt die sonst von ihm so gerne aufgesuchten Mikrofone.
Zur fassungslosen Sprachlosigkeit hatten die siegesgewohnten Fidesz-Barone nach Schließung der Wahllokale am Sonntagabend erst recht allen Grund: Ausgerechnet in ihrer Hochburg gab der unabhängige, von der Opposition unterstützte Peter Marki-Zay mit 57,7 Prozent dem Fidesz-Hoffnungsträger Zoltan Hegedüs (41,5 Prozent) klar das Nachsehen.
Die Schockschlappe bei der Testwahl trifft Fidesz-Chef Orban sechs Wochen vor der Parlamentswahl zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Denn ein von der EU-Antibetrugsbehörde (OLAF) aufgedeckter Korruptionsskandal bei der Anschaffung von Straßenlampen wirft auf die vermeintliche Lichtgestalt immer größere Schatten. In die manipulierten Ausschreibungen von über 30 Gemeinden soll nicht nur Orbans Schwiegersohn Istavan Tiborcz, sondern auch sein Kabinettschef Lazar als früherer Bürgermeister von Neumarkt an der Theiß verwickelt gewesen sein.
Den Umfragen zufolge schien Fidesz mit einem prognostizierten Stimmenanteil von etwas mehr als 50 Prozent lange einem sicheren Wahlsieg entgegen zu segeln - und dank eines maßgeschneiderten Wahlrechts zum dritten Mal in Folge eine Zweidrittelmehrheit der Mandate einfahren zu können. Doch nach dem spektakulären Erfolg bei der Testwahl schöpft die gebeutelte und geteilte Opposition wieder etwas Hoffnung: Bei einem besser koordinierten Auftreten könnte sie Fidesz am 8. April Direktmandate abjagen und damit zumindest dessen Zweidrittelmehrheit verhindern.
-
/ Interview: Edmond JägerKritik wird bestraftDer ungarische Bürgermeister Péter Márki-Zay über das finanzielle Ausbluten oppositioneller Kommunen
-
/ Max ZeisingOrban will nur das GeldAn Europa ist Ungarn nicht interessiert, meint Max Zeising
-
/ Julia TrippoMisogyne SchikaneJulia Trippo ist besorgt, weil Ungarns Frauenrechte zu zerbröckeln drohen
Fidesz gehe noch immer als Favorit in die Wahl, aber die Opposition habe »unerwarteten Auftrieb« erhalten, umschreibt der Budapester Analyst Attila Tibor Nagy die neue Ausgangslage: »Dies ist eine demütigende Niederlage für Fidesz und ein Hoffnungsschimmer für die Opposition, dass sie Orban mit Absprachen in den Wahldistrikten schlagen kann.«
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.