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Rot-Weiß braucht Hilfe

Folge 131 der nd-Serie Ostkurve: Erfurts Fußballern droht der Abstieg. Im Führungsstreit vermitteln nun die Fans

  • Michael Kummer, Erfurt
  • Lesedauer: 5 Min.

Die sportliche Situation des FC Rot-Weiß Erfurt nach zwei Dritteln der Saison ist kurz erzählt: Auf zwei kurze Hoffnungsschimmer Anfang des Jahres mit Siegen über die Aufstiegskandidaten 1. FC Magdeburg und SC Paderborn 07 folgten bittere Niederlagen gegen Mannschaften des unteren Mittelfelds, die bitterste davon am vergangenen Sonntag mit einer 0:1-Niederlage beim Thüringer Erzrivalen. Auch unter dem neuen Trainer Stefan Emmerling hat sich die Mannschaft nicht stabilisiert, wenngleich sie offensiver und attraktiver spielt.

Der sportliche Abstieg wird kaum zu vermeiden sein, aktuell belegt der FC Rot-Weiß Erfurt den letzten Tabellenplatz mit 11 Punkten Rückstand auf die Nichtabstiegsränge. Das deutlich schlechtere Torverhältnis gegenüber allen anderen Mannschaften resultiert aus der rekordverdächtigen Unfähigkeit, Tore zu erzielen. In 26 Spielen schaffte es die Mannschaft, gerade einmal 15 eigene Torerfolge zu bejubeln.

Auch der wirtschaftliche Abstieg nimmt immer bedrohlichere Züge an. Sollte der Abstieg in die Regionalliga feststehen, hat der mit 8,1 Millionen Euro überschuldete Verein keine wirtschaftliche und so auch keine sportliche Chance mehr. Das Präsidium hat zwar die Lizenz für die neue Drittligasaison beantragt, doch realistisch ist wohl nur das Szenario einer Entschuldung. Wie der Aufsichtsrat nun mitteilte, werde bereits eine sogenannte Planinsolvenz vorbereitet. Spätestens Mitte März muss darüber eine Entscheidung getroffen sein, damit im Sommer ein dann weitgehend schuldenfreier Verein eine gute Rolle in der Regionalliga spielen kann. Es winkt dann immerhin ein direkter Aufstiegsplatz, aber nur in der kommenden Saison. Wie viele Regionalligisten danach in die 3. Liga aufsteigen dürfen, muss der DFB erst noch festlegen.

In dieser scheinbar trostlosen Situation regt sich jedoch etwas im Verein, was jahrelang verschütt gegangen war. Ein Großteil der Fanszene will aus der Not eine Tugend machen und ihrem Klub helfen, mehr mitbestimmen und ihn besser kontrollieren. Ausdruck dieser Bemühungen ist die Mitte Januar erfolgte Gründung des Fanrats Rot-Weiß Erfurt e.V.

Zwar existiert der Fanrat als loser Zusammenschluss bereits seit einigen Jahren, er wurde jedoch von vielen Gruppen nur wenig beachtet. Erst mit der Krise im Herbst und der medialen Schlammschlacht zwischen neuem und altem Präsidenten, zwischen konkurrierenden Kandidatenlisten für den Aufsichtsrat und einem gern in die Öffentlichkeit drängenden Ehrenpräsidenten geschah etwas, was bis dahin nicht möglich erschien: Die Fans aus verschiedensten Gruppen und Initiativen setzten sich auf Betreiben der Erfurter Ultras am 13. November an einen Tisch und redeten miteinander. Ziel war es, sich auf die Mitgliederversammlung inhaltlich und abgestimmt vorzubereiten. Und auch wenn einige Teilnehmer dieses denkwürdigen Abends lakonisch feststellten, dass man sich immer noch nicht leiden könne, so zeigte sich doch, dass miteinander reden auch in der Erfurter Fanszene möglich ist.

Aus dieser Stimmung heraus kam Schwung in den dahin dümpelnden Fanrat, auf jener Sitzung erschienen schon viel mehr Fans als je zuvor im Rahmen des Fanrats. Es wurde diskutiert und eine Neuausrichtung mit der Gründung eines eigenständigen Vereins mit großer Mehrheit beschlossen. Der Fanrat soll, so der Wunsch eines Großteils der Anhänger, als Dachverband aller Fangruppierungen, Strömungen und Initiativen rund um den FC Rot-Weiß existieren und als Schnittstelle zwischen Klub und Anhängern agieren. Soviel Einigkeit war selten, doch angesichts der sportlich wie wirtschaftlich schlechten Nachrichten geradezu eine Notwendigkeit.

Nachdem die ursprünglich für Anfang Dezember angesetzte Mitgliederversammlung des FC Rot-Weiß Erfurt durch den Aufsichtsrat verschoben werden musste, war die dauerhafte Fortführung der bis dahin zu beobachtenden öffentlichen Schlammschlacht zu erwarten. Dass auch der FC Rot-Weiß Erfurt ein Verein ist und damit, zumindest der Satzung nach, den Mitgliedern das erste Informationsrecht zusteht, war über zweieinhalb Jahrzehnte weder gelebte Praxis noch bei den Verantwortlichen ausreichende Erkenntnis. Eine der ersten Handlungen des nun erstarkten Fanrats war es daher, alle entscheidenden Personen an einen Tisch zu bringen und als Vermittler zu agieren. Anstelle der abgesagten Mitgliederversammlung trafen sich auf Einladung des Fanrats das Präsidium, die damaligen Vorsitzenden des Aufsichts- und des Ehrenrats sowie Vertreter der verschiedenen Kandidatenlisten für den Aufsichtsrat.

Die Anwesenden redeten plötzlich miteinander anstatt übereinander. Zentrales Ergebnis des Treffens war, dass der Fanrat den Beteiligten die Zusage auf eine abgestimmte Öffentlichkeitsstrategie abrang. Nur noch der Präsident im Zusammenspiel mit dem Pressesprecher sollten sich öffentlich äußern - bei anderen Klubs eine Selbstverständlichkeit, die dann auch in Erfurt bis wenige Tage vor der Mitgliederversammlung eingehalten wurde.

Mitte Januar wurde dann der Fanrat Rot-Weiß Erfurt e.V. durch zahlreiche Anhänger des Klubs und Vertreter diverser Fangruppierungen und Initiativen gegründet. Man gab sich einen dreiköpfigen gleichberechtigten Vorstand, dazu Beiräte für verschiedene Themenfelder wie Fanarbeit und Mitgliederbetreuung, Marketing und Öffentlichkeitsarbeit, Rot-Weiße Familie und Traditionspflege sowie die Stärkung der Nachwuchsarbeit. Erste Arbeitsgruppen sind seitdem entstanden, in welchen die Fans je nach Expertise und Interesse tätig sind. Dazu hat der Fanrat sein Anliegen, als Schnittstelle in den Klub hineinzuwirken, nochmals an alle Gremien des FC Rot-Weiß Erfurt getragen. Erste Treffen und Gespräche mit dem Präsidium, dem Aufsichtsrat und dem Ehrenrat fanden bereits statt, Anfang April will der FC Rot-Weiß einen Fanbeirat gründen, in welchem der Fanrat stark vertreten sein soll.

Der wichtigste Punkt in der Neuausrichtung des FC Rot-Weiß Erfurt wird jedoch die Veränderung der Satzung sein. Auf der Mitgliederversammlung Ende Januar wurde fast einstimmig beschlossen, dass eine Satzungskommission durch das Präsidium einzusetzen ist, in welcher je ein Vertreter aus dem Präsidium, aus dem Aufsichtsrat und aus dem Ehrenrat mitarbeiten sowie acht einfache Mitglieder, die keinem dieser Gremien angehören. Die Kommission soll ab 20. März Vorschläge für Satzungsänderungen erarbeiten, über die auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung abgestimmt wird.

Die Initiative dazu kam erneut aus dem Fanrat und dessen Vertreter in der Kommission bereiten einige Änderungen vor. Sollte ihnen tatsächlich gelingen, mehr Mitbestimmung und Kontrolle zu verankern, die Mitgliederversammlung als oberstes Organ des Vereins und damit den demokratischen Gedanken zu stärken, und überhaupt dem Verein neues Leben einzuhauchen, könnte der FC Rot-Weiß Erfurt tatsächlich auch in dieser sportlich und wirtschaftlichen sehr schwierigen Situation ein Vorbild mit bundesweiter Beachtung werden.

Der Autor ist Vorstandsmitglied im Fanrat Rot-Weiß Erfurt.

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