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Migration aus Afrika verlagert sich
Robert Kappel erklärt, warum in Zukunft weniger Menschen aus dem südlichen Kontinent nach Europa kommen werden
Es ist oft zu hören, dass in den kommenden Jahren immer mehr Menschen aus Afrika nach Europa auswandern oder flüchten werden. Diese These wird mit dem hohen Bevölkerungswachstum, der Migrationsbereitschaft der Jugend und der Mittelschichten, mit hoher Armut und Arbeitslosigkeit, Terror, Klimawandel, politischer Fragilität und Bürgerkriegen begründet.
Dabei handelt es sich ohne Zweifel um wichtige Faktoren. Und ohne Frage wird auch weiterhin ein Teil der Afrikaner migrieren - darunter viele, die nicht zu den Ärmsten der Armen gehören. Sie wollen anderswo ihre Chancen wahrnehmen. Doch dieses Anderswo muss nicht immer Europa sein und vermutlich werden sich in den nächsten Jahren weniger Menschen in Richtung EU aufmachen, als es nicht nur AfD-Anhänger mit einem von afrikanischen Migranten überrannten Europa beschwören. Denn tatsächlich wirken dem wesentliche Trends entgegen.
Wie viele der entwickelten OECD-Länder wachsen auch die EU-Staaten nur schwach. Auch wenn Europa eine Überalterung erlebt, wird sich der Kontinent in den nächsten Jahren politisch »schwertun«, Einwanderung aus Afrika zu ermöglichen. So wird es vor allem innereuropäische Wanderungen aus Ländern mit Arbeitskräfteüberschuss in Länder mit wachsender Nachfrage nach Arbeitskräften geben.
Derweil hat sich in den afrikanischen Ländern herumgesprochen, dass Europa nur wenigen Migranten gute Jobchancen bietet und dass Rassismus und Populismus weit verbreitet sind. Für viele Afrikaner wird so Europa weniger attraktiv - es bietet eher ein trauriges Bild der Abschreckung. Immer weniger Menschen aus Afrika haben Lust, als billige Arbeitskräfte auf Andalusiens Plantagen, auf den Straßenstrichen Italiens oder in Asylheimen in Deutschland zu landen.
Aber viel wichtiger als Europas gesunkene Anziehungskraft und die Abschreckung durch Europas nach Afrika vorverlagerte Grenzen sind zwei andere Entwicklungen, die eindeutig eine Verlagerung der Migration weg von Europa zeigen. So weisen zahlreiche afrikanische Länder inzwischen ein hohes Wachstum auf und werden daher noch attraktiver für innerafrikanische Migration. Trotz der hohen Arbeitslosigkeit der jungen Generationen wird sich die Binnenwanderungen verstärken.
Dabei kann Afrika an eine jahrzehntelange Entwicklung anknüpfen: Der Alltag vieler Westafrikaner basiert auf einer Strategie zur Existenzsicherung, die Sesshaftigkeit und Mobilität verbindet. Viele Menschen sind ihr Arbeitsleben lang mobil und leben eine gewisse Zeit im Ausland. Es gibt eine Kultur der Migration - die zeitweise Migration wird durch grenzüberschreitende Handelsnetzwerke erleichtert: Diaspora-Netzwerke verbinden sich mit Netzwerken des Herkunftslandes.
Drittens lässt sich in Afrika ein Strukturwandel beobachten, der wahrscheinlich für mehr afrikanische Binnenmigration sorgen wird. In vielen Ländern Afrikas besteht ein Bedarf für zusätzliche Arbeitskräfte, seien es Arbeiter oder Experten. In den urbanen Zentren wächst die Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften, der innerafrikanische Handel entwickelt sich durch Infrastrukturmaßnahmen sowie Zollsenkungen und die Liberalisierung der Märkte.
Es gibt in einigen Ländern eine rege Bautätigkeit, neue Industrien entwickeln sich, für die Arbeitskräfte benötigt werden. Viele Migranten finden zudem Jobs im informellen Sektor und auf Plantagen. Mehr als 90 Prozent der Migranten verbleiben innerhalb von Afrika.
Noch immer strapaziert die Bundesregierung die Floskel »Fluchtursachen bekämpfen«. Europa und Deutschland predigen die Segnungen der Entwicklungskooperation, wodurch Afrika prosperieren soll. Damit sollen Flucht und Migration zurückgehen. Aber dies ist eine Illusion. Viele afrikanische Migranten wenden sich eher von Europa ab. Sie versuchen zunehmend, ihre Handlungsspielräume durch die zeitweise innerafrikanische Migration auszuweiten.
Zusammengefasst: Die europäische Realpolitik hat sich ins Abseits manövriert und verliert an Glaubwürdigkeit. Die sinkenden Migrationszahlen sind nicht nur dadurch begründet, dass Europa seine Grenzen dichtgemacht hat, sondern sie sind vor allem eine Folge des Strukturwandels in Afrika, der zu stärkerer Migration auf dem Kontinent selbst führt.
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