Hygieneampel abgeschaltet

Modellversuch in Niedersachsen fand nur wenig Interesse bei Gastronomen und Gästen

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

So richtig appetitlich sieht er aus, der »Stramme Max«. Und die Stulle mit Schinken und Spiegelei schmeckt auch gut, befindet der Gast, der sich in einem Großstadtlokal die deftige Mahlzeit bestellt hat. Er ahnt nicht, dass der Koch am Brot, dessen Schnitte die Grundlage der Leckerei bildet, erste Spuren von Schimmelbefall entdeckt hat, aber entschied: »Das Bisschen macht nix, das wisch ich weg, und der Rest ist noch gut.« Lokale, die nach außen signalisieren wollten, dass es so etwas Ekliges oder andere Schmuddeleien in ihren Küchen nicht gibt, konnten das bisher in Hannover und Braunschweig mit der »Hygieneampel« tun. Doch diese hat Niedersachsens Agrarministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) nun abgeschafft.

Ihr Amtsvorgänger Christian Meyer (Grüne), auch für Verbraucherschutz zuständig, hatte die Ampel im Januar 2017 als Modellversuch eingeführt. Gastronomische Betriebe sollten - freiwillig - einen DIN A4-Bogen gut sichtbar an die Tür oder ins Fenster hängen, der potenzielle Gäste über das Ergebnis der routinemäßigen amtlichen Hygieneuntersuchungen informiert. Auch Schlachtereien oder Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung sollten so verfahren, war Meyers Wunsch. »Grün« auf dem Ampelbogen hätte signalisiert: alles in Ordnung, Gelb: Hier ist einiges verbesserungswürdig, Rot: Ernste Mängel müssen beseitigt werden.

Gelb und Rot könnten »Betriebe auf Dauer stigmatisieren«, protestierte seinerzeit der Gastronomenverband Dehoga gegen Meyers Initiative und warnte: Es gebe zu wenig Lebensmittelkontrolleure, und deshalb könne »das Ergebnis einer Momentaufnahme« über Wochen und Monate öffentlich aushängen, obwohl längst alle Mängel beseitigt sind. Das sei rechtlich fragwürdig. An diesem Einwand war ein ähnliches Projekt in Berlin-Pankow schon Jahre vor Meyers Ampel-Idee gescheitert. Verwaltungsrichter hatten der Klage eines Betriebes stattgegeben.

In Niedersachsen brauchen die Gastronomen nun nicht mehr über rechtliche Schritte gegen die Hygieneampel nachzudenken. Die Sache hat sich erledigt, der Modellversuch wird nicht fortgesetzt, und Christian Meyers Ziel, die Aktion auf das ganze Bundesland auszudehnen, ist von seiner Amtsnachfolgerin ebenfalls gekippt worden. Nicht zuletzt wegen mangelnden Interesses sowohl bei der Gastronomie als auch seitens der Verbraucher.

Nur vier Prozent von mehr als 1000 kontrollierten Betrieben in den beiden Teststädten hatten den Hygiene-Ampel-Bogen ausgehängt, war von Barbara Otte-Kinast zu erfahren. Und die Stadt Hannover teilt mit, in ihrem Gebiet hätten sich nur etwa 50 Wirte an der Aktion beteiligt. Zudem habe die Verwaltung während der Ampel-Testphase von Verbrauchern keine einzige Nachfrage zu dieser Sache erhalten. Gleiche Erfahrungen hat die Stadt Braunschweig gemacht. Nur wenige Gastronomen hätten sich beteiligt, so dass letztlich durch die Aktion »kein Nutzen für die Öffentlichkeit« entstanden sei, heißt es aus dem Rathaus.

Ähnlich wie in Niedersachsen könnte auch in Nordrhein-Westfalen die dort von Rot-Grün eingeführte Hygieneampel wieder verschwinden. Es ist damit zu rechnen, dass sie von der neuen schwarz-gelben Landesregierung ebenso abgeschaltet wird wie dies jetzt in Hannover nach dem Wechsel zur rot-schwarzen GroKo geschehen ist.

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