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Feminismus von unten

  • Antifa Arbeitskreis Köln
  • Lesedauer: 4 Min.
Im Rahmen ihrer »Zeit-Campus«-Kolumne »Jung und konservativ« veröffentlichte Diana Kinnert im Oktober 2017 einen Text mit dem Titel »Feministinnen, dankt dem Kapitalismus«. Diana Kinnert ist jung, konservativ, CDU-Mitglied und der Meinung, dass große Modelinien »Ich bin eine Feministin« auf T-Shirts drucken, sei Ausdruck eines marktwirtschaftlichen Siegescodes, eines Kultursiegs des Feminismus.

Um zu begreifen, dass Kapitalismus, Patriarchat und weibliche Ausbeutung sich gegenseitig bedingen, reicht alleine ein Blick auf die Näherinnen* in Bangladesch, die die T-Shirts produzieren, die Diana Kinnert dann für 15 Euro kaufen und den Siegeszug des Kapitalismus postulieren kann. Dass eine CDUlerin nicht für die Überwindung des Wirtschaftssystems schreibt, ist mindestens erwartbar; dass sie Popkultur mit sozialen Kämpfen verwechselt, ist respektlos und unerträglich. Der Artikel lehrt dabei weniger über die Aktualität des Feminismus, dafür umso mehr über die gegenwärtige Ausprägung der Marktgläubigkeit und der sich damit immer weiter verbreitenden Ansicht, dass jede*r sein Schicksal verdiene.

Frauenchefs

Diese Entwicklung manifestiert sich im gegenwärtigen Neoliberalismus in Form eines liberal-individualistischen Fortschrittsverständnisses, das nicht mehr die Zunahme von Gleichheit, sondern den Aufbau einer Leistungsgesellschaft fokussiert. Das Ergebnis ist ein Feminismus, der die Lohnarbeit als ultimative Befreiung propagiert. Wenn subversive Botschaften und kämpferische Gegenbewegungen als Label fungieren und zum Teil von der Kulturindustrie, standardisiert und in Serie, produziert werden, teilen sie ein Schicksal mit Kultur und Kunstwerk: Die so produzierten Waren erhalten Fetischcharakter, das System verkauft das System. Deutlich wird dies am Beispiel vermeintlich feministischer Projekte wie »Edition F«, die für eine doppelte Ausbeutung von Frauen* werben, indem sie Tipps für beruflichen Erfolg neben der unentlohnten Sorge-Arbeit verteilen, und dabei ausschließlich Akademikerinnen* adressieren, niemals aber Näherinnen* oder Schlosserinnen*. Ihre Ermächtigung ist eine für Führungskräfte. Adressiert und in der Folge konstituiert werden durch die Feminismusindustrie Subjekte, die einzig und allein an Regungen, Emotionen und Handlungsanweisungen interessiert sind, die ihrem persönlichen und beruflichen Fortkommen zuträglich zu sein scheinen, die Feminismus als Leistungsantrieb konsumieren und das Ergebnis dann wieder zu Markte tragen.

Zusammen vorwärts

Die Allianz zwischen einer neoliberalen Variante des Feminismus und scheinbar progressiven Kapitalfraktionen ignoriert nicht nur das internationale Klassengefälle, welches sich als Ausbeutung von Frauen*arbeit unter verschärften Bedingungen in sogenannten Drittweltländern darstellt. Diese - teils globale - Verschiebung patriarchaler Ausbeutungsmechanismen zeigt sich beispielhaft in den Bestrebungen, die Erziehungs- und Familienarbeit auf arme Migrantinnen* abzuwälzen. Deutlich wird, dass Feminismus im Neoliberalismus als Label fungiert, unter dessen Deckmantel die falsche Freiheit reicher, weißer Frauen* auf Kosten von Arbeiterinnen* und Migrantinnen* garantiert werden soll. Die vermeintlich progressiven Gegenprojekte zu den Trumps, Le Pens und Orbans machen den entscheidenden Fehler: Der Kampf um Vielfalt und Emanzipation wird nicht mit dem Kampf um (globale) soziale Gerechtigkeit verbunden. Feminismus dieser Art wird so seines befreierischen Gehaltes restlos entleert und von autoritären Projekten instrumentalisiert.

50 Jahre seit der postulierten sexuellen Revolution erleben wir in immer neuen Auflagen die Übernahme dieser progressiven Ideen durch die Eliten und ihre Freunde. Dieser Unterdrückung gilt es, den Kampf anzusagen: Dazu lohnt es, sich historische politische Forderungen wie Lohn für Hausarbeit und altbewährte Waffen wie Frauen*streiks anzuschauen und vor allem einen Widerstand zu erfinden, der die Zukunft im Hier und Jetzt sichtbar macht. Dieser ist nicht ausbuchstabiert, aber findet in den Kämpfen im Gesundheitssektor, in Migrationsbewegungen und im Deutungskampf in den sozialen Medien seinen Ausdruck.

Eine Zukunft zum Hoffen

Die Akkumulationsdynamik kapitalistischer Gesellschaften verleibt sich offensichtlich alles ein, was an ihnen teilhat - auch die langsam voranschreitende Partizipation von Frauen* und Migrantinnen*. Mit einem Siegeszug des Feminismus darf dies nicht verwechselt werden, die Kämpfe von »Minderheiten« deshalb aber ebenso wenig als »Identitätspolitiken« abgetan oder als »Nebenwiderspruch« für sekundär erklärt, die Politiken der Neuen Linken nicht als Liberalismus diffamiert werden. Dieses Abhandeln verkennt die steigende und zentrale Bedeutung der Reproduktionsarbeit, der globalen Konjunktur feministischer Kämpfe und der Migrationsbewegung für jede zeitgemäße Klassenpolitik. Die (radikale) Linke muss vielmehr den strukturellen Zusammenhang von Sexismus, Nationalismus und Rassismus mit dem Kapitalismus herausstellen und erkennen, welche spezifischen Formen der Ausbeutung Migrantinnen* und Frauen* betreffen, wie diese legitimiert werden und welche Funktion gesellschaftlicher Ausschlussmechanismen sie erfüllen.

Dies wird zeigen, dass migrantische und feministische Kämpfe am Herzen dessen liegen, was heute als »Klassenpolitik« gegen die sogenannten »Identitätspolitiken« ausgespielt werden soll. Um über soziale Gerechtigkeit zu sprechen, findet sich hier ein guter Ausgangspunkt.

Der Kampf um Anerkennung, Vielfalt, Emanzipation muss dann ein Kampf für eine solidarische Gesellschaft sein. Wir fordern eine Verschiebung der Kritik auf die Funktionsweise von Migration im Kapitalismus und einen antirassistischen Feminismus, der das Patriarchat totalitärer Herrschaft anerkennt. Und: Wir fordern, die Kämpfe gegen den global vernetzen Kapitalismus zu internationalisieren: im Kampf um das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper und die Anerkennung von Sexualität, ob in der Fabrik in Bangladesch oder im Amazon-Center in Leipzig.

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