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Programmierfehler
Wie Frauen in der IT-Branche gegen Klischees und Diskriminierung kämpfen
Ein Blick über die Bildschirme vor ihren Augen scheint das zu bestätigen. Hier, in der Zentrale des Preisvergleichsportals Idealo in Berlin-Kreuzberg, werden die zum Erfolg des Unternehmens unabdingbaren Programmieraufgaben fast ausschließlich von Männern erledigt. In Eva Götterts Abteilung ist nur eine weitere Frau als Entwicklerin angestellt, und damit liegt ihr Arbeitgeber im Trend. Nicht einmal jede vierte IT-Arbeitskraft in Deutschland, ähnlich wie in anderen Industriestaaten, ist eine Frau. Bei Weltkonzernen wie Google und Apple ist gar nur ein Fünftel der Mitarbeiter weiblich. Und das Bedenklichste daran: Während die Geschlechterungleichheit in den meisten Wirtschaftsbranchen über die letzten Jahre international nachließ, hat sie im IT-Sektor zugenommen. So fragen sich nicht nur die wenigen Frauen im Geschäft: Was muss geschehen, damit eine der größten Wachstumsbranchen endlich modern wird?
Lauter werdende Forderungen nach Wandel hallen aus mehreren Ecken. »Ein Land kann sein Potenzial nur voll entfalten, wenn Frauen ihr Potenzial voll entfalten«, sagt Sheryl Sandberg, die Geschäftsführerin von Facebook. Elke Holst, Gender-Ökonomin am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, urteilt: »Gerade in der IT-Branche haben sich Strukturen und Klischees festgesetzt. Da muss sich eine Menge tun.« Der »Global Fund for Women« warnt: Wenn es vor allem Männer sind, die die Tools der Zukunft entwickeln, dann werden Frauen zu passiven Konsumenten degradiert und womöglich noch als solche ignoriert.
In Deutschland etwa hilft die Frauenquote seit 2013, den Anteil weiblicher Führungskräfte zu erhöhen. Nur gilt die Regel bisher nur für rund 100 börsennotierte Unternehmen, sie bezieht sich auch auf keine bestimmten Branchen, in denen Frauen besonders benachteiligt sind. Eva Götterts Chef, der Idealo-Gründer Albrecht von Sonntag, sagt: »Wir würden gern mehr Frauen einstellen. Aber es finden sich kaum Bewerberinnen. An Quoten wäre gar nicht zu denken.« Ein paar Stockwerke weiter unten ist auch Eva Göttert skeptisch. Mit Blick auf ihre Kommandozeilen zögert sie: »Wäre es nicht klüger, wenn man Quoten bei den Ausbildungs- und Studienplätzen einführt? Ansonsten begleitet einen später das Stigma, dass man nur einen Job hat, weil man eine Frau ist.«
Und wie würden sich die Kaffeepausengespräche auf Konferenzen dann entwickeln? »Was machst du? Marketing? Oder Programmieren, weil dein Betrieb noch eine Quotenfrau brauchte?« So eine Ausbildungsquote hingegen hätte der jungen Frau mit blondem Haar und dickem Schal um den Hals schon geholfen. »Ich hab’ schon als Schülerin Websites programmiert, das hat mir immer gefallen. Aber als meine Freundinnen aufs Wirtschaftsgymnasium gingen, wollte ich nicht als einziges Mädchen auf die technische Schule.« So studierte Eva Göttert Kommunikationswissenschaft, begann bei Idealo zunächst im Produktmanagement. Programmiererin wurde sie durch eine Umschulung.
Dabei war es nicht immer so, dass Programmieren als männlich gilt. In den 1980er Jahren, als Informatik an den Unis noch ein junges Fach war und der Personal Computer noch nicht die privaten Haushalte erobert hatte, waren in den USA fast die Hälfte der Studierenden Frauen. Als sich aber die Computerindustrie mit ihren Werbekampagnen an Jungen statt an Mädchen orientierte, fielen die Frauen fortan auch als Studentinnen zurück. Es wurde ein internationaler Trend daraus.
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So ein Problem festgefahrener Strukturen belastet vor allem reiche Länder, in denen der IT-Sektor schon ausgereift ist. Die 18-jährige Hyasinta Joseph Luhanga arbeitet daran, dass in ihrer Heimat Programmieren gar nicht erst zur Männersache erklärt wird. Vor ein paar Monaten hat sich die groß gewachsene, kurzhaarige Schülerin freiwillig zu einem Programmierkurs angemeldet. »Mir öffnet sich eine ganz neue Welt«, schwärmt Hyasinta Joseph Luhanga, als sie am Nachmittag durch einen kargen Gang ihrer Schule spaziert, um den nächsten Unterricht anzusteuern. »Nach ein paar Wochen konnte ich schon einen Code schreiben. Dadurch soll eine Smartphone-App über den Wasserstand unserer Brunnen informieren.«
In ihrer Heimat, der tansanischen Hauptstadt Daressalam, gehört Wassermangel zu den Alltagsproblemen. Und in einer Gesellschaft, in der ein Viertel der Erwachsenen nicht lesen und schreiben kann, machen solche raren IT-Kenntnisse einen wichtigen Unterschied. Ihre Lehrerin Carolyne Ekyarisiima stellt sich das so vor: »Die IT-Skills werden der Schlüssel zu ökonomischer Unabhängigkeit. Der Alltag ist schon heute stark digitalisiert, viele Familien haben auch ein Smartphone. Aber nur wenige verstehen die Vorgänge dahinter.«
Der Gedanke von Ekyarisiimas Verein »Apps & Girls« ist simpel: Durch die Schulungen soll in ganz Afrika eine erste Generation weiblicher IT-Rollenmodelle heranreifen. Deshalb lernen Hyasinta Joseph Luhanga und die anderen 30 jungen Frauen in ihrer Schule nicht nur das Programmierhandwerk, sondern auch das kleine Einmaleins der Geschäftsgründung. »Es gibt hier fast noch keinen Arbeitsmarkt für Programmierer«, sagt Hyasinta Joseph Luhanga nach dem Unterricht, während sie ein Plakat mit aufgemalten Brunnen, Handys und Hierarchiebäumen für die Programmierung zusammenrollt. »Also müssen wir Unternehmerinnen werden.«
Kann es sein, dass es in der Zukunft von Tansania vor allem Frauen sein werden, die programmieren? »Apps & Girls« gibt sich alle Mühe. Im Klassenraum, der nach dem Unterricht noch voll mit weiterlesenden Schülerinnen ist, sagt Carolyne Ekyarisiima: »Bis 2025 wollen wir in ganz Afrika eine Million Mädchen trainiert haben.«
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In Peru tut sich gerade etwas Ähnliches. Eine kleine IT-Branche gibt es hier schon, und nur jede zehnte Arbeitskraft darin ist eine Frau. Aber bei der in mehreren Ländern Lateinamerikas aktiven Nichtregierungsorganisation Laboratoria überwiegt die Überzeugung, dass es noch nicht zu spät ist, am Boom teilzuhaben. An einem Morgen um 9 Uhr ist das Großraumbüro von Laboratoria in einem Obergeschoss eines Hochhauses im Zentrum von Lima brechend voll. Auf jedem Tisch stehen Computer, dahinter diskutieren Frauen über »Search engine optimisation« und »UX Design.« Laboratoria bildet ausschließlich Frauen aus. Ein Plakat mit dem Satz »All you need is code« prangt an der Wand, daneben der Tagesplan. Das Motto: gratis Frauen mit viel nachgefragten Fähigkeiten ausbilden, um endlich Schluss zu machen mit der Diskriminierung.
Angie Condor Macuri hat sich deshalb für den Kurs angemeldet. Die junge Frau mit breiter Brille und Lederjacke über ihrer Stuhllehne hat schon bald jeden Aushilfejob gemacht, um ihrem kleinen Sohn ein sorgenfreies Leben zu ermöglichen. »Selbst wenn meine Chefs Frauen waren, hatten die wenig Verständnis für die Situationen von Müttern. Die denken oft, Frauen sollten entweder keine Kinder haben oder nicht arbeiten. Aber ich bin nun mal Single.«
Mit dem Kurs, den sie morgens vor ihrem Job als Grafikdesignerin besucht, so hofft Angie Condor Macuri, wird sich die Lage ändern. »Bald kann ich Dinge, die sonst kaum jemand beherrscht. Dann bin ich für Arbeitgeber unentbehrlich.« Derzeit verdienen Frauen in Peru durchschnittlich 30 Prozent weniger als Männer, allerdings vor allem deshalb, weil sie häufiger im informellen Sektor arbeiten. Ökonomen haben errechnet, dass Perus Wirtschaftsleistung um bis zu zwei Prozent im Jahr zunehmen könnte, wenn das Land die Kompetenzen von Frauen besser in den Arbeitsmarkt integrierte.
Am späten Abend sitzt Angie Condor Macuri noch immer an einem der Tische im Großraumbüro. Den Oberkörper hat sie tief über den Computer gebeugt, damit sie den kleinen Datenoutput auf dem Bildschirm besser erkennen kann. »Wo ist der Fehler ...«, murmelt sie. Sie steht unter Druck, morgen muss sie ihr Abschlussprojekt präsentieren. Ihren Sohn hat sie bei ihren Eltern einquartiert, die Nacht wird sie durchmachen. Es sind Situationen, die Eva Göttert aus ihrer Fortbildung gut kennt und Hyasinta Joseph Luhanga auf ihrem Weg zur Unternehmerin noch vor sich hat. »Bei machen Dingen müssen wir als Frauen eben doppelt so viel leisten«, stöhnt die Mutter. Aber das sei es wert.
Einen Tag später sind in Angie Condor Macuris Gesicht keine Sorgen mehr zu erkennen. Auf ihrer Abschlussfeier hat sie eine gelbe Schärpe um den Hals gelegt, ihre Augen strahlen: »Gerade habe ich mit einem Vertreter einer großen Bank gesprochen, er war ganz interessiert an meinen Kenntnissen. Wir haben einen Termin verabredet.« Dreiviertel der bis jetzt 600 Absolventinnen von Laboratoria haben kurz nach ihrem Abschluss einen festen Job gefunden, die Gehaltsverhandlungen übernimmt der Verein. Und hat so schon in einigen Köpfen alte Rollenbilder auf den Kopf gestellt.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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