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Spiel mit dem atomaren Feuer

Auch sieben Jahre nach dem Atomunfall von Fukushima werden in Deutschland Anlagen zur Urananreicherung weiter betrieben

  • Hubertus Zdebel
  • Lesedauer: 3 Min.

Sieben Jahre sind vergangen seit der Atomkatastrophe von Fukushima, doch Atomkraft wird weiterhin genutzt. Die Konsequenz aus dem Unfall war für die Herrschenden nicht der Stopp der Atomkraft. Anfang 2017 liefen 449 Reaktoren in 31 Ländern, hinzu kamen 60 Neubauprojekte. Unsere Antwort darauf muss eine internationale Bewegung sein, um diesen Vormarsch zu stoppen.

Hubertus Zdebel
Hubertus Zdebel ist Sprecher für den Atomausstieg der Linksfraktion im Bundestag

Auslöser der Katastrophe in Fukushima war ein verheerendes Erdbeben, auf das ein Tsunami folgte. An der Nordwestküste Japans gerieten die Atommeiler außer Kontrolle. Nach dem Ausfall der Stromversorgung kam es zur Kernschmelze und zu Wasserstoffexplosionen. Fast 200.000 Menschen mussten fliehen, viele von ihnen leben noch heute in Notunterkünften. Die radioaktive Strahlung gelangte in die Umwelt. Die Zerstörung der Natur in der Umgebung ist heute noch erkennbar.

Weltweit protestierten Millionen Menschen gegen Atomkraft, in Deutschland schlossen sich Zehntausende der Anti-Atombewegung an und forderten den Ausstieg aus der Atomkraft sowie die Förderung erneuerbarer Energien. Der Druck dieser riesigen Bewegung wirkte: Ausgerechnet die damalige schwarz-gelbe Regierung verkündet den Atomausstieg – für das Jahr 2022. Der Ausstieg selbst hätte deutlich früher geschehen können, doch dies verhinderte die Mehrheit des Bundestags. Zudem gilt der Ausstieg nur für Atomkraftwerke, ausgenommen sind die Uranfabriken in Lingen und Gronau, die dafür sorgen, dass AKW anderswo weiterbetrieben werden können.

Zeitweilige Äußerungen bundesdeutscher Regierungsvertreter gegen den Betrieb oder Neubau von AKWs in anderen Ländern sind reine Lippenbekenntnisse, zumal sie diese gleichzeitig mit deutscher Hilfe weiterlaufen lassen. Selbst die maroden belgischen Atommeiler werden mit Brennstoffen aus Lingen und Gronau und mit Ausfuhrgenehmigungen der Bundesregierung betrieben. Dabei sind insbesondere die Reaktoren Doel 3 und Tihange 2 in Belgien eine akute Gefahr, auch für Deutschland. Ungeachtet dessen sind die Schutzmaßnahmen der Regierung absolut ungenügend – wie beispielsweise die fehlenden Atemmasken für Kinder zeigen, mit denen die Aufnahme von radioaktiven Partikeln begrenzt werden könnte.

Woher der Wind weht, ließ jüngst NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) in einer Aktuellen Stunde im Düsseldorfer Landtag durchblicken, als er sich gegen eine Schließung der Urananreicherungsanlage in Gronau wandte: »Das würde bedeuten, dass Deutschland auch nicht mehr Mitglied der Internationalen Atomenergiebehörde und dann auch nicht an Gesprächen mit Iran beteiligt wäre.« Die Atomverhandlungen mit Teheran für ein Ende der Eskalation im Nahen Osten werden so als Feigenblatt für die Urananreicherung in Deutschland missbraucht.

Dabei hält sich Deutschland selbst mit der Urananreicherung die Tür zur eigenen Bombe offen. Sogar an einer internationalen Sanktionierung von Atomwaffen zeigt die Bundesregierung kein Interesse: Den von 122 Staaten verfassten Entwurf eines Vertrages für ein Atomwaffenverbot hat die Bundesregierung nicht unterzeichnet. Das ist ein unverantwortliches Spiel mit dem atomaren Feuer. Nicht zuletzt deswegen mobilisieren Antiatom- und Friedensbewegung am Karfreitag beim Ostermarsch nach Gronau.

Fukushima mahnt uns, weltweit und auch in Deutschland weiter für einen konsequenten Ausstieg aus der Atomenergie zu kämpfen. Wir können uns nicht auf die Regierenden verlassen. Sie sind nirgendwo bereit, sich mit der Atomlobby anzulegen.

In Deutschland haben wir erlebt, wie viel Protest bewegen kann. Daran gilt es anzuknüpfen und für die Stilllegung aller deutschen Atomanlagen zu streiten, alle Ausfuhrgenehmigungen zu beenden und alle Atomkraftwerke in den Nachbarländern stillzulegen. Wenn die Gefahren der Atomkraft international sind, muss der Widerstand dagegen ebenfalls international sein. Den Anfang haben die mehr 50.000 Menschen im vergangenen Sommer gemacht, die grenzübergreifend in Deutschland, den Niederlanden und Belgien für die Stilllegung der Atommeiler demonstrierten. Eine weitere Chance bieten die Proteste, mit denen wir heute weltweit und auch in Deutschland daran erinnern, welche furchtbaren Folgen durch den Einsatz von Atomkraft noch heute drohen.

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