Oberbayern schließt Asylberater aus
Absurde Begründung: Privatsphäre der Flüchtlinge
Der »Infobus für Flüchtlinge« ist eine Institution. Seit 2001 berät das Team in Oberbayern Geflohene in sämtlichen Fragestellungen, die ihr laufendes Asylverfahren betreffen. Im Rahmen dieser Arbeit bereiten sie die Betroffenen unter anderem auf die Anhörungen vor, übersetzen behördliche Dokumente und informieren über die Entscheidungen der zuständigen Behörde, auch im Hinblick auf mögliche Klagen. Die Mitarbeiter des Projekts verstehen sich in erster Linie als Wegweiser im Behörden-Dschungel. Bislang konnte das Team seine Arbeit immer problemlos durchführen - direkt vor Ort in den jeweiligen Einrichtungen des Bezirks.
Doch das hat sich geändert. Mit Schreiben vom 8. Januar hat die Regierung von Oberbayern dem Projekt, das der Münchner Flüchtlingsrat und Amnesty International München gemeinsam betreiben, plötzlich den Zugang zu allen oberbayerischen Einrichtungen untersagt. Das Verbot betrifft das Fahrzeug; vor allem aber natürlich die Mitarbeiter des Infobusses, die das Gelände nicht länger betreten dürfen. Als Begründung dienen vor allem die Privatsphäre der Geflüchteten sowie brandschutzrechtliche Aspekte, ohne dass diese näher ausgeführt werden. Die Regierung sei in der Verantwortung, so ein Behördensprecher gegenüber »nd«, »einen geschützten Wohnbereich zu schaffen und den Asylsuchenden einen Raum zu bieten, in dem sie zur Ruhe kommen können«.
Den Zugang zum Bus wolle man mit dem Rauswurf jedoch nicht einschränken. Ergänzend zu den Beratungsangeboten der Caritas in der Inneren Mission gewähre man den Bewohnern »selbstverständlich« weiterhin »Zugang zum Angebot des Infobusses«, erklärte der Sprecher, »auch wenn dieser nicht unmittelbar auf dem Areal der Einrichtung steht«. Es würden Informationsblätter in den Unterkünften ausgelegt und »an geeigneter Stelle mit Aushängen« über das Angebot informiert, so dass Asylsuchende dieses in Anspruch nehmen können.
Elisabeth Fessler, eine Mitarbeiterin des Projekts, lässt das nicht gelten. »Die Argumentation mit der Privatsphäre ist absurd«, sagt sie, »denn die Erstaufnahmeeinrichtung ist absolut kein Ort der Privatsphäre.« Es fänden dort regelmäßig Abschiebungen statt, und die Türen seien nicht abschließbar. Das Angebot des Projekts sei außerdem freiwillig, werde also niemandem aufgezwungen. Unter diesen Umständen hält Fessler es für eine Verhöhnung der Betroffenen, ihre Privatsphäre als Argument gegen eine Beratung in ihrem Interesse vor Ort anzuführen.
Für die Münchner Asylberaterin besteht vielmehr der Verdacht, dass der verweigerte Zutritt im Zusammenhang mit einer Anfrage an die Bezirksregierung steht, ob im umstritteneren Transitzentrum Manching in Ingolstadt ebenfalls Beratungen angeboten werden können. Daraufhin sei der Zugang plötzlich grundsätzlich infrage gestellt worden, obwohl man zuvor stets vertrauensvoll zusammengearbeitet habe. Es sei im Laufe der letzten 17 Jahre jedenfalls zu keinen Zwischenfällen gekommen, versichert Fessler, die Anlass zu einem Ausschluss gegeben hätten.
Ihr Team hat nun Klage gegen die Entscheidung eingereicht. Vor dem Verwaltungsgericht München will es feststellen lassen, dass das Vorgehen gegen unionsrechtliche Vorgaben verstößt. Das spielt auf den Artikel 18 der EU-Aufnahmerichtlinie an, der 2015 Eingang in die nationale Gesetzgebung fand. Unabhängigen Asylberatern soll demnach der Zugang ermöglicht werden, damit sie vor Ort ihrer Tätigkeit nachgehen können. Dabei reicht es für Fessler nicht aus, dass sie ihre Beratung außerhalb des Geländes weiter durchführen können. Man sei dort weniger sichtbar und für Menschen nicht erreichbar, die aus körperlichen oder psychischen Gründen die Einrichtung nicht verlassen können.
Unterstützt wird das Projekt von mehreren Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen, darunter auch von Amnesty International. Aus dem Berliner Büro liegt eine Stellungnahme vor, die scharfe Kritik an der Regierung enthält. »Die unabhängige Verfahrensberatung ist ein wesentlicher Bestandteil für ein faires Asylverfahren«, heißt es dort. Durch den Ausschluss der Mitarbeiter werde ihre Tätigkeit »erheblich erschwert und in vielen Fällen unmöglich gemacht«. Die Maßnahme sollte daher umgehend zurückgenommen werden. Tatsächlich dürfte nicht nur Amnesty die Klage mit Interesse verfolgen, denn von einer gerichtlichen Entscheidung könnte möglicherweise eine Signalwirkung ausgehen, die bundesweiten Einfluss auf vergleichbare Angebote hat.
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