- Politik
- Braunkohle-Abbau im Rheinland
Totaler Zugriff auf die ganze Region
Die Regisseurin Susanne Fasbender hat den Kampf um den Braunkohle-Abbau im Rheinland aufgearbeitet
Das Thema ist bedrückend, da gibt es keinen Zweifel. Seit Jahrzehnten werden im Rheinland Dörfer abgebaggert, um die darunterliegende Kohle zu fördern. Es gibt auch schon seit Langem filmische Dokumentationen darüber. Susanne Fasbender hat sich aber jüngst einen eigenen Zugang zum Thema gesucht. Ihr filmisches Großwerk »Brand« ist mehr als nur eine Aktualisierung anderer Arbeiten. Bedrückend ist es nämlich nicht nur durch die Bilder von Zerstörungen, zum Teil Vorher-Nachher-Aufnahmen, sondern auch durch das Aufzeigen der globalen politischen und wirtschaftlichen Dimension der Verbrennung fossiler Energiequellen.
Von 2012 bis 2017 hat Fasbender sowohl den Widerstand gegen die Vernichtung von Lebensräumen von Menschen und anderen Lebewesen zugunsten des Braunkohle-Abbaus begleitet: Entwidmung und Abriss von Kirchen und anderen Gebäuden, Zerstörung von Parks und Naturräumen, Vertreibung von Menschen. Die Videokünstlerin, die in der Nähe des rheinischen Braunkohlereviers lebt, war durch die Waldbesetzung im Hambacher Forst auf die Dimension des Dramas aufmerksam geworden, das sich immer noch westlich von Köln abspielt. Sie erwarb sich das Vertrauen der überwiegend jungen Leute, die seit Jahren Bäume in diesem einst riesigen Wald besetzen und die Rodungsarbeiten behindern.
Mehrere von ihnen kommen in dem Film zu Wort, zum Teil in ihren selbst gezimmerten Baumhäusern. Mindestens genauso interessant sind aber die vertriebenen oder vor der Vertreibung stehenden und zum Teil traumatisierten Menschen, die vom jahrzehntelangen Kampf und ihren Niederlagen sowie Tricks und Schikanen des Konzerns RWE berichten.
Fasbender geht aber immer wieder über die lokale Ebene hinaus. Menschen von anderen Kontinenten erzählen von den ökologischen und wirtschaftlichen Problemen, die der Abbau fossiler Energiequellen und der Klimawandel dort mit sich bringen; Fachleute erklären politische und wirtschaftliche Hintergründe zum Geschäft mit fossilen Energieträgern. Deutlich wird, wie zentral dieser Wirtschaftsbereich für den Kapitalismus ist und schon immer war; wie die Klimapolitik der letzten Jahre an den Bedürfnissen von Konzernen orientiert war, Stichwort Verschmutzungsrechte, und dass generell immer mehr natürliche Ressourcen zu Waren gemacht werden. Der Titel »Brand«, den die drei entstandenen Filme tragen, drückt neben dem Bezug auf die Verbrennung fossiler Energieträger aus, dass sich Wellen der Vernichtung über den ganzen Planeten ziehen. Der Untertitel des Großprojekts lautet: »Eine Reise im rheinischen Braunkohlerevier und eine Denkreise zum Kern der ökologischen Krise«.
Die Unerbittlichkeit des so schädlichen Geschäfts mit den planetaren Ressourcen macht Susanne Fasbender am lokalen Beispiel deutlich. Früher, so ihre Recherchen, war die abgebaggerte Braunkohle oberflächennah, und in Preußen durfte dafür nur unbebautes Land enteignet werden. Die Nazis führten ins Bergrecht ein, dass auch Häuser enteignet werden dürfen. Schon 1947 begannen dann die Pläne für das Vordringen in größere Tiefen - nach der weitgehenden Vernichtung des Hambacher Forsts soll dort bis zu 500 Meter tief gegraben werden. Aus jener Zeit stammen auch die Grundlagen für die heutigen Ausweitungen der Tagebaue. Die Regierung von Nordrhein-Westfalen installierte den Braunkohleausschuss als politisches Steuerorgan. »Totaler Zugriff auf die gesamte Region« nennt Susanne Fasbender das erreichte Ziel dieser Einrichtung. Dies hat dafür gesorgt, dass die Vernichtungsmaschinerie nicht aufgehalten wurde.
Fasbenders Werk unterscheidet sich in vielfacher Hinsicht von gängigen politischen Dokumentarfilmen. Ihr Blick auf das Sujet ist von ihrer künstlerischen Herkunft geprägt. Die Kameraführung ist langsam, sie lässt sich viel Zeit - die Filme erinnern teilweise an ethnologisches Eintauchen in den Berichtsgegenstand. Das ist allerdings auch ein Manko der Filme: Sie sind zu lang, teilweise werden sie geschwätzig.
Jeder der ersten beiden Teile dauern fast zwei Stunden. Dass der gewählte umfassende Zugang zu einem großen Werk führen muss, ist klar, aber kürzer hätte das Ergebnis schon sein können. Die Filme sind zudem wenig strukturiert, und die Wechsel der thematischen Ebenen kommen manchmal zu plötzlich.
In der ersten Hälfte des ersten Films reden Fachleute ziemlich unvermittelt über den Handel mit Verschmutzungsrechten und Wiederaufforstungsprojekte, die als neokolonial kritisiert werden, wichtige Hintergründe zu diesen Themen kommen aber erst im zweiten Film. Zudem sind all diese Ausführungen zu politischen Hintergründen anspruchsvoll, weil die Autorin die Fachleute einfach reden lässt - übrigens überwiegend in Fremdsprachen - und keine grafischen Aufbereitungen sowie kaum Zusammenfassungen oder Erläuterungen bietet.
»Brand« ist deshalb anstrengender als nötig. Die Ausführlichkeit der Behandlung der rheinischen wie der globalen Kohlekatastrophe überzeugt trotzdem. Sowohl die Inhalte als auch die Bilder prägen sich ein.
Mehr Informationen zu dem Projekt gibt es unter: www.brandfilme.org
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