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Vorsichtige Kritik am Koalitionspartner

SPD-Politiker sind unzufrieden mit den Äußerungen von Jens Spahn zu Armut und Hartz IV

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.

Nach Vertretern der Linkspartei und von den Grünen haben sich nun auch einige SPD-Politiker verbal von Äußerungen des designierten Gesundheitsministers Jens Spahn (CDU) zur Armut in Deutschland distanziert. »Wir haben andere Vorstellungen und das weiß auch jeder«, sagte der kommissarische SPD-Vorsitzende und künftige Bundesfinanzminister Olaf Scholz in den ARD-»Tagesthemen« am Montagabend. Er glaube, »Herr Spahn bedauert ein wenig, was er gesagt hat«. Spahn hatte behauptet, dass Hartz IV nicht Armut bedeute, sondern die Antwort der Solidargemeinschaft auf Armut sei.

Konkreter wurde Scholz nicht. Womöglich lag das auch daran, dass er selber eine große Verantwortung für den gegenwärtigen Zustand des Sozialstaates hierzulande trägt. Der Hamburger hatte einst als Generalsekretär der SPD dabei geholfen, die neoliberale Agenda 2010 und die Hartz-Gesetze gegen innerparteiliche Widerstände durchzusetzen. Später unternahm er im Amt des Bundesarbeitsministers in der ersten schwarz-roten Koalition unter Führung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) Vorstöße, nach denen Hartz-IV-Betroffene stärker kontrolliert werden sollten, ob sie »arbeitsfähig« sind oder nicht.

In der »Rheinischen Post« meldete sich am Dienstag ein weiterer Sozialdemokrat zu Wort, der als damaliger Chef des Kanzleramts zu den Architekten der Agenda 2010 zählte und heute Bundespräsident ist. »Unser Ziel muss höher gesteckt sein, als dass die Menschen von Hartz IV oder anderen Transferleistungen leben«, sagte Frank-Walter Steinmeier dem westdeutschen Blatt. Das Zentrale sei, dass die Menschen von ihrem Einkommen aus Arbeit leben könnten. »Deshalb ist es richtig, die Sozial- und Arbeitsmarktpolitik darauf zu konzentrieren, Arbeitslosigkeit zu reduzieren«, erklärte Steinmeier. Dies sei in den vergangenen Jahren gelungen. Dass zuletzt mehr als eine Million Menschen mit Job hierzulande zusätzlich Hartz IV beziehen, weil ihr Einkommen zu niedrig ist, erwähnte Steinmeier in diesem Zusammenhang nicht.

Politiker der Union verteidigten Spahn. »Hartz IV ist eine Solidarleistung zur Sicherung der Lebensgrundlagen. Dazu gehören Essen, Kleidung, Wohnung, Heizung und soziale Teilhabe«, sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt dem »Münchner Merkur«. Die Tafeln seien ein »ergänzendes, freiwilliges Angebot für die Schwächsten unserer Gesellschaft«. Dieses oft ehrenamtliche Engagement verdiene klare Unterstützung. »Daraus eine Sozialstaatskritik zu formulieren und abzuleiten, dass die Sozialleistungen in Deutschland zu gering seien«, sei aber »unsachlich«, meinte Dobrindt.

Auch der neue Ostbeauftragte der Bundesregierung, Christian Hirte (CDU), stellte sich hinter seinen Parteikollegen. Spahns Aussagen seien nicht völlig falsch gewesen, sagte Hirte im RBB-Inforadio. »Natürlich ist es so, dass, formal gesehen, ein Hartz IV-Empfänger arm ist. Aber Jens Spahn hat auch recht, dass wir versuchen, mit Hartz IV eben dafür zu sorgen, dass keiner völlig durchs Raster fällt.« Hirte ergänzte, er hätte die Aussagen Spahns so nicht getroffen, jedoch habe jeder seinen eigenen Politikstil.

Spahn selber bemühte sich am Dienstag, seine harschen Worte etwas abzuschwächen, blieb aber grundsätzlich bei seiner Haltung. »Natürlich ist es schwierig, mit so einem kleinen Einkommen umgehen zu müssen, wie es Hartz IV bedeutet«, räumte der CDU-Politiker im Sender n-tv ein. »Das deckt die Grundbedürfnisse ab und nicht mehr - da gibt es auch nichts zu diskutieren, und das habe ich auch nicht in Frage gestellt.«

Ihm sei es dennoch wichtig zu betonen, »dass unser Sozialsystem tatsächlich für jeden ein Dach über dem Kopf vorsieht und für jeden das Nötige, wenn es ums Essen geht«, fügte der designierte Bundesgesundheitsminister hinzu. Im Zusammenhang mit der Diskussion um den zwischenzeitlichen Aufnahmestopp für Ausländer bei der Essener Tafel hatte Spahn gesagt, auch ohne die Tafeln müsse hierzulande niemand hungern.

Dazu, dass nach Schätzungen der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe im vergangenen Jahr rund 52 000 Menschen in Deutschland obdachlos waren, äußerte sich Spahn nicht. Mit Agenturen Kommentar Seite 4

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