Spahn soll einen Monat von Hartz IV leben

Mehr als 100.000 Menschen unterschreiben Online-Petition

  • Katharina Schwirkus
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Kritik an dem neue Gesundheitsminister Jens Spahn reißt nicht ab. Zahlreiche PolitikerInnen der LINKEN, Grünen und SPD rügen Spahn für seine Aussage »Hartz IV bedeutet nicht Armut«. Der CDU-Politiker hatte sich im Zuge der Debatte über die Essener Tafel geäußert, die einen Ausgabestopp für Zuwanderer veranlasst hatte, um mehr Menschen mit deutschem Pass versorgen zu können. »Niemand müsste in Deutschland hungern, wenn es die Tafeln nicht gäbe«, erklärte Spahn. Deutschland habe »eines der besten Sozialsysteme der Welt«.

Mittlerweile gibt es eine Online-Petition, die Spahn dazu auffordert, selbst einen Monat mit Hartz IV zu leben. Bisher haben mehr als 100.000 Menschen die Petition unterschrieben. Initiiert wurde die Petition von einer Hartz IV-Betroffenen, die auf der Plattform »change.org« nicht mit vollem Namen, sondern als Sandra S. ausgewiesen wird. Die Plattform kommt ursprünglich aus den USA, agiert aber seit einigen Jahren weltweit. Sie gibt Privatpersonen die Möglichkeit, eine Petition zu starten, um Ungerechtigkeiten in der Gesellschaft zum Thema zu machen.

Betroffene möchte mit Spahn tauschen

Sandra S. schreibt auf der Internetseite, dass sie selbst Sozialhilfeempfängerin sei und einen Zehnjährigen Sohn habe. Spahns Äußerungen hätten ihr persönlich »weh getan«. Der neue Gesundheitsminister unterstütze ein Bild über Hartz-IV-Betroffene, das in der Gesellschaft sehr verbreitet sei. Viele Menschen sähen sie als »Schmarotzer«, die es sich auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung bequem machten. Deswegen lädt S. Spahn ein: »Meistern Sie für einen Monat Ihren Alltag zum Hartz-IV-Grundregelsatz von 416,00 EUR im Monat.«

Dem »nd« sagt Sandra S., dass sie anonym bleiben möchte. »Aus Selbstschutz und für meinen Sohn. Den halte ich auch aus allem raus.« Sie erklärt: »Es geht bei der Petition nicht um meine Person. Ich sage immer, ich könnte jedermann oder jederfrau sein.« Ursprünglich habe sie auf Unterstützung von mindestens 10.000 Menschen gehofft. »Doch mittlerweile denke ich, eine Million ist angemessen«, sagt sie mit fröhlicher Stimme. Arbeitslosengeld II beziehe sie seit vier Wochen wieder voll. »Davor war ich selbstständig und habe aufgestockt.« Insgesamt sei sie seit mittlerweile fünf Jahren, mit ein paar Unterbrechungen, auf Sozialleistungen angewiesen.

Einen ersten Erfolg hat die Petition schon erreicht. Direkt nach seiner Vereidigung zum Bundesgesundheitsminister wurde Spahn am Donnerstag von einem Journalisten der »Münsterlandzeitung« auf die Petition angesprochen und gefragt, ob er die Einladung annehmen werde. Spahn antwortete ausweichend und sagte: »Aus vielen persönlichen Begegnungen weiß ich sehr gut, dass es nicht einfach ist, mit Hartz IV seinen Alltag zu bestreiten. Deshalb ist es auch so wichtig, dass wir denjenigen helfen, die auf Unterstützung angewiesen sind. Sie sollen auf eigenen Beinen stehen können und von ihrer Arbeit leben können. Gerade in Zeiten, in denen viele Unternehmen händeringend nach Arbeitskräften suchen. Darum würde ich mich gerne kümmern, denn dafür wurde ich gewählt«.

Die Initiatorin der Petition fordert deswegen dazu auf, nicht nur zu unterschreiben, sondern Spahn auch eine persönliche Nachricht per E-Mail zu schreiben. Darin soll Spahn angehalten werden, die Frage konkret zu beantworten, ob er für einen Monat mit 416 Euro leben werde. Die Petition hat kein Ende und es muss keine bestimmte Zahl an Unterschriften erreicht werden. Doch Sandra hat ein klares Ziel: »Ich erwarte, dass sich Spahn bei mir meldet, weil er sich diesem Druck nicht mehr entziehen kann«, sagt sie dem »nd«.

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