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Im Königreich der Lifte
Die Skigebiete in den Alpen überbieten sich gegenseitig mit Attraktionen.
In 200 Meter Höhe schwebt die Bahn über das erwachende Tal - an dünnem Drahtseil über verschneite Dächer. Die »G-Link« ist ein ingenieurtechnisches Meisterwerk: 2,1 Kilometer am Seil ohne Stützpfeiler von Skiberg zu Skiberg. Die »G-Link« verbindet zwei beliebte Pisten des Skigebiets Wagrain-Kleinarl. Die »Talstation« liegt auf 1233, die »Bergstation« auf 1240 Meter. Nachher, nach acht, wenn die Pisten geöffnet sind, werden bis zu 130 Menschen die Kabine füllen. Und das Seil wird in der Mitte fast 150 Meter durchhängen.
Jetzt aber ist es eine leichte Fuhre: Nur ein Dutzend Gäste sitzt in der Gondel - an eigens herbeigeschafften Tischen. In der neun mal vier Meter großen Kabine duftet es nach Kaffee und den Zutaten eines österreichischen Frühstücks: Kaisersemmeln, Gselchtes, Extrawurst, Bauerntopfen, Zwetschkenmarmelade. Dieses Gondelfrühstück mit Panoramaaussicht haben die Gäste in einem Erlebnispaket beim Skiverbund »Ski amadé« zusätzlich gebucht, gleich werden sie als erste auf die frisch präparierten Pisten gelassen, eine Viertelstunde vor allen anderen Skifahrern.
Längst sind es nicht mehr nur die Pistenkilometer in dreistelliger Höhe oder die Zahl der Sechser-, Achter- und Zehner-Sessellifte, mit denen sich die Skigebiete der Alpen voneinander abzusetzen versuchen. Es geht ums Erlebnis und das, was am Ende vom Skiurlaub in Erinnerung bleibt. Oder wie Christoph Eisinger, Geschäftsführer von Ski amadé, sagt: »Sammle Momente, nicht Dinge - das ist unsere Idee hinter diesen Angeboten.«
Wer das übliche Gewimmel auf Österreichs Pisten kennt, weiß, dass das neue »Made my day«-Package von Ski amadé trotz des stolzen Preises seine Abnehmer finden wird. Eine Fotografin wird am Vormittag Actionfotos von den Skifahrern machen, der anschließende Riesentorlauf wird auf Video aufgezeichnet und steht am Abend zum Download im Internet bereit. Am Nachmittag kann sich die Gruppe im »Massage-Drive-In« die strapazierten Oberschenkel durchkneten lassen, ehe mit einem »Genussmenü« der Skitag schließlich ausklingt - übrigens von morgens bis abends begleitet vom ehemaligen Weltcupfahrer Rudi Huber.
»Himmelhochjauchzen-Tag« wurde das Paket getauft, das sich für stattliche 194 Euro zum Skipass hinzubuchen lässt. dafür verspricht der Veranstalter kleine Gruppen bis zu zwölf Leuten. Zum Vergleich: Der Fünftagesskipass kostet 236,50 Euro.
Ski amadé ist der größte Skiverbund Österreichs: fünf Regionen, 760 Pistenkilometer, 270 Lifte und Seilbahnen im Salzburger Land und in der Steiermark. Doch auch der Krösus muss sich bei aller Profitabilität stets anstrengen, um unter all den Superlativen der Skigebiete hervorzustechen. Skitourismus ist eine gigantische Industrie - allein die Deutschen geben laut Bundeswirtschaftsministerium mehr als elf Milliarden Euro pro Jahr für Skiurlaube aus.
Die Konkurrenten schlafen nicht, ständig trumpfen sie mit neuen Bestmarken auf. In Sachen Schneesicherheit etwa kann beispielsweise der italienische Verbund »Dolomiti Superski« (zwölf Skigebiete) mit beinahe komplett beschneibaren Pisten protzen: Auf 97 Prozent der Hänge kann dem Wetter bei Bedarf nachgeholfen werden, bei Ski amadé sind es 90 Prozent. Das Thema Kunstschnee war indes im Winter 2017/18 für die Betreiber nicht so akut, es gab endlich wieder massenhaft Schnee und genügend Frost in den Alpen. »So schön war’s lange nicht«, erinnert sich Skiamadé-Chef Eisinger. Ganz nebenbei haben er und seine Liftbetreiberkollegen dabei auch eine Menge Geld gespart.
Neben der Beschneiung ziehen vor allem neue, leistungsstarke Liftanlagen die Gäste in die Skigebiete. Sie verheißen kurze Wartezeit und schnelle Auffahrt. In Sölden kann die Giggijochbahn mit ihren 133 Kabinen 4500 Menschen auf den Gipfel bringen. Auf den Stubaier Gletscher kann man sich mit der längsten Dreiseilbahn der Alpen nach oben kutschieren lassen, die Kabinen der Eisgratbahn haben jene italienischen Designer entworfen, die sonst die kühnen Linien von Ferraris oder Lamborghinis zeichnen.
Die in diesem Winter eröffnete Eibseebahn an der Zugspitze auf deutscher Seite überwindet fast 2000 Meter Höhenunterschied ohne Stütze: Weltrekord, und auch ihr 127 Meter hoher Stützpfeiler erreicht eine Bestmarke. Er ist der höchste seiner Art in Europa. Im mondänen Kitzbühel hingegen kann man aus der Glasbodenkabine der 3S-Bahn bis zu 400 Meter in die Tiefe schauen. Und natürlich dabei sinnieren, ob einem ein Tagespreis von mehr als 50 Euro eigentlich noch Freude bereitet?
Auch der Gedanke an den Aufwand, der für Beschneiung betrieben wird, kommt dem Skigast spätestens auf der Piste beim Anblick der Schneekanonen und Schneelanzen unweigerlich: Riesige Wassermassen müssen in gigantischen Speicherteichen vorgehalten werden, die durch unterirdische Rohre dann zu den Schneekanonen gepumpt werden. Die Skigebiete haben für den technischen Schnee das »Österreichische Reinheitsgebot« erfunden - weil die Schneekanonen nur Wasser und Luft verarbeiten.
Umweltschützer hingegen monieren die Eingriffe in die Landschaft und das Profitstreben der Branche: In der Studie »Der gekaufte Winter«, herausgegeben vom BUND-Naturschutz in Bayern und der Gesellschaft für ökologische Forschung, kritisieren die Autoren die Verwendung von Steuermitteln und Subventionen für den Skitourismus. »Für einen Hektar beschneiter Pistenfläche (30 Zentimeter Schneehöhe Grundbeschneiung) werden etwa 20 000 kWh Energie verbraucht. Ein durchschnittlicher Vier-Personen-Haushalt verbraucht ca. 4000 kWh pro Jahr.« Insgesamt werden im Alpenraum 70 000 Hektar technisch beschneit.
Die Liftbetreiber verweisen andererseits nicht zu Unrecht auf die wirtschaftliche Bedeutung des Skitourismus. In Österreich hänge jeder dritte Arbeitsplatz zumindest indirekt vom Tourismus ab, betont Peter Zellmann vom Wiener Institut für Freizeit- und Tourismusforschung. »Das wird volkswirtschaftlich dramatisch unterschätzt.« Nach Angaben der österreichischen Wirtschaftskammer generierten »bergbahnnutzende Wintersportler« allein 2016/2017 sieben Milliarden Euro Bruttoumsatz. Liftbetreiber Eisinger sieht auch deshalb seine Investitionen als Ausgaben für die ganze Region an: »Was wir ausgeben, davon leben der Maurer, der Hotelier, der Bäcker, der Friseur hier in der Gegend.«
Der Skitourismusforscher Günther Aigner aus Kitzbühel sieht ein ganz anderes Problem für den Alpinskimarkt. Skifahren wird nach seiner Ansicht mehr und mehr zu einem Luxusgut. »Die Tageskarten marschieren in Zwei-Euro-Schritten pro Saison nach oben«, schrieb er in einem Gastbeitrag auf »Zeit Online«. Das seien vier Prozent Preissteigerung im Jahr: »Skifahren ist auf dem Weg zum Luxussport, den sich nur noch Wohlhabende leisten können.«
Womöglich sind ja auch die »Made my day«-Angebote von Ski amadé ein erster Vorbote dieser Entwicklung: Den Urlaubern sollen unvergessliche Momente verschafft und natürlich verkauft werden. Zwischen 50 und 194 Euro werden für die begleiteten Touren aufgerufen. »Ultimative Skitage« lautet das Versprechen, wobei neben allerlei Freeriding-Angeboten die Touren vor allem auch auf ungewohntes Terrain führen: zu Ski-Yoga, Schneeschuhwandern, Eisklettern, oder aber zu einer »Vier-Berge-Naschtour«, wo von Schladming aus nacheinander die beliebte Vierbergeschaukel Reiteralm (Frühstück), Hochwurzen (Bauernkrapfen oder Kaspressknödelsuppe), Planai (Ennstal-Lamm) und Hauser Kaibling (Après-Ski) absolviert wird (139 Euro).
Wer indes zum Normalpreis einen kleinen Teil des 194-Euro-Himmelhochjauchzen-Feelings in Wagrain verspüren will, komme einfach am Morgen pünktlich um acht an den Grafenberg-Express und fahre nach ganz oben. Die erste Tour auf den breiten, frisch gespurten, sonnenbeschienenen Pisten am Gipfel macht tatsächlich glücklich. Morgens früh um acht - wird am Berg gelacht.
Infos
13 verschiedene Erlebnispakete von 50 bis 194 Euro unter: www.skiamade.com/mademyday
Diese Reise wurde unterstützt von Ski amadé.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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