Bayern

Leo Fischer über die gern unterschätzte Bedrohung aus dem Süden, die so ulkig und verschroben daherkommt

Es gibt eine spezifische Art Dummheit, die bayerisch ist. Man verzeiht sie darum umso lieber. Sätze wie die Seehofers, geäußert im makellosen Hochdeutsch eines Hannoveraners, würden wohl sehr viel mehr Empörung hervorrufen - wenn ein Bayer sie sagt, haben sie gleich etwas Pittoreskes. Unsere Bayern - sie wissen es halt nicht anders, die sind halt so, was haben sie denn jetzt schon wieder Dummes angestellt. Ein exotistisches Element tritt hinzu, wenn über die Zumutung, die die CSU sowohl politisch als auch ästhetisch darstellt, gesprochen wird. Bayern gelten als ulkig, verschroben und hinterwäldlerisch; man traut ihnen schlicht keine Bosheit zu. Allenfalls hält man sie für naive Stümper, man belächelt Doro Bärs Narreteien über Flugtaxis und Dobrindts bizarr aufgeblähte Unterschrift unterm Koalitionsvertrag. Man sagt »Stammtisch« und »Bierzelt« und hält sich deswegen schon für aufgeklärt. Als sei es eine Petitesse, dass diese Herrschaften über drei Bundesministerien verfügen, als wäre die Gefahr, die von ihnen ausgeht, schon dadurch gebannt, dass man sie als urige Bierdimpfel darstellt.

Derweil zimmert der amüsante Hinterwäldler Seehofer, dem man einfach nichts übelnehmen kann, an einer Allianz rechtskonservativer Regierungen und umschmeichelt Europas Erdogan, Viktor Orbán. Der lustige Trachtenjockel mit dem Herzen aus Gold arbeitet an einem »Masterplan für Abschiebung« und einer Art Superpolizei mit nahezu unbeschränkten Bespitzelungsrechten. Das klingt lachhaft, nicht durchsetzbar, wie billiges Zuckerwerk für die AfD-Sympathisanten. Doch hat es seine CSU in Bayern geschafft, eines der krassesten Polizeigesetze der Geschichte zu verabschieden; unter anderem kann die Münchner Polizei bei »Gefahr im Verzug« Menschen nahezu unbeschränkt in Vorbeugehaft nehmen. Wenn es darum geht, die Vorstellungen der Großkonzerne für den Arbeits- und Bildungssektor umzusetzen, vermag die täppische Provinzpartei plötzlich höchst effizient zu sein. Auch für die sexuelle Selbstbestimmung und das Abtreibungsrecht von Frauen ist die CSU mit ihren weitläufigen Kirchenkontakten eine gern unterschätzte Bedrohung.

Gerade Linke machen sich keine Vorstellung davon, was ihre exotistische Verharmlosung Bayerns in diesem Landstrich anrichtet. Es gibt Zusammenhänge dort, die nicht weit entfernt sind von Scharia und Islamismus. Wer sich davon überzeugen möchte, soll den Bericht über den Missbrauchsskandal bei den Regensburger Domspatzen nachlesen, der so nur in Bayern stattfinden konnte, in Verhältnissen, in denen Politik, Religion und sozialer Sadismus aufs engste verquickt sind. Es gibt noch immer Lebensverhältnisse in Bayern, in denen es für einen schwulen Teenager einfacher ist, in den Freitod zu gehen, statt sich zu outen. Nicht zuletzt ist das Misstrauen gegen alles, was sich als geistig unabhängig, kritisch oder frei definiert, tief in die bayerische Alltagskultur eingeschrieben. Diese stolze Rückständigkeit, diese eitle Borniertheit trieft aus jeder Aussage der Seehofers, Söders, Dobrindts; sie ist umso perfider, als ihre Rhetorik das hilflose Poltern, das ungerichtete Gekläffe ist. Gerade seiner seltsam überreizten Aggressivität wegen wird dieser Politikstil verharmlost; man sollte anfangen, ihn endlich ernstzunehmen.

Die Empörung über die AfD ist mittlerweile gut einstudiert; darüber wird aber gern vergessen, dass die CSU keineswegs das kleinere Übel ist. Nicht zuletzt durch die Wahlergebnisse in Bayern unter Druck gesetzt, geht die CSU jeden Tag einen neuen Schritt nach rechts. Im Gegensatz zur AfD kann sie dabei auf ein in Jahrzehnten gewachsenes Netzwerk, nahezu unbegrenzte Ressourcen und den politischen Apparat eines ganzen Bundeslandes zurückgreifen. Und verlässlich auch auf die Tendenz ihrer Gegner, ihre Taten zu relativieren, sie auf die kulturellen Eigenheiten eines halbwilden Bergvolks zurückzuführen. Die CSU ist keine Kraft des Widerstands gegen die AfD, sie ist keine Alternative zur Alternative. Erkennbar ist es ihr Auftrag im Kabinett Merkel IV, die Wähler, die nach rechts weggerutscht sind, zurückzuholen - indem AfD-Forderungen eins zu eins umgesetzt werden. Seehofer und Gauland unterscheiden sich nur darin, dass Seehofer meist schlechter gekleidet ist und undeutlicher redet. In den Forderungen nach einem Umbau der Sicherheitsbehörden ist Seehofer sogar extremer als Gauland. Nicht nur deswegen ist die Beißhemmung gegenüber der CSU unangebracht. Mit der CSU sitzt die AfD bereits in der Regierung.

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