Wie in den 70er Jahren

Ein Referendar soll nicht Lehrer werden, weil Bayerns Verfassungsschutz an ihm zweifelt

  • Johannes Hartl
  • Lesedauer: 4 Min.

Benedikt Glasls Karriere im Staatsdienst ist beendet, noch bevor sie überhaupt begonnen hat. Eigentlich sollte der angehende Lehrer zum 11. September 2017 sein Referendariat an einer oberbayerischen Mittelschule aufnehmen, um die Ausbildung als Lehrer planmäßig abzuschließen. An seiner Schule hatte der 34-Jährige zuvor bereits Eindruck hinterlassen, als er dort hospitierte. Laut einem Bericht der »Süddeutschen Zeitung« (SZ) sei er durch seine Zuverlässigkeit, sein Interesse und seine Kritikfähigkeit bei den Kollegen positiv aufgefallen; außerdem genieße er den Respekt seiner Schüler. Zwei Dutzend seiner Kollegen sehen in Glasl sogar eine »Bereicherung für die gesamte Schule«.

Es liest sich, als hätte die Bildungseinrichtung mit dem 34-Jährigen einen idealen Bewerber gefunden. Nur hat die Geschichte einen Haken, denn die bayerischen Sicherheitsbehörden halten Glasl für einen Verfassungsfeind. Als solcher sei er eine Gefahr für die Schüler, urteilte der Verfassungsschutz, er dürfe deshalb ohne Aufsicht keinen Unterricht gestalten.

Welches staatsgefährdenden Vergehens hat Glasl sich schuldig gemacht? Während seiner Studienzeit hatte er sich laut der Erkenntnis des Verfassungsschutzes hochschulpolitisch in zwei linken Gruppen engagiert, namentlich im Sozialistisch-demokratischen-Studierendenverband (SDS) und der Linksjugend [‘solid]. Glasl ist damals eher zufällig über eine Freundin in die Organisation eingetreten, so schildert es die »SZ«, weil er sich gegen Studiengebühren und gegen militärische Forschung an Hochschulen engagieren wollte. Zudem half er - mangels Personal - für ein knappes halbes Jahr im Bundesvorstand des SDS aus, arbeitete aktiv in dem Verband mit. Auf diese Weise zog er das Interesse des bayerischen Verfassungsschutzes auf sich, der die beiden Organisationen seit vielen Jahren als »extremistisch« einstuft.

Durch sein Engagement habe Glasl »mehrere Jahre Bestrebungen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung« unterstützt, ohne sich glaubhaft davon zu distanzieren. Besonders kurios ist diese Begründung, weil der angehende Lehrer von den Aktivitäten des SDS offenbar selbst nicht übermäßig begeistert war. Im Laufe der Zeit habe er festgestellt, dass die Organisation neben ihrem hochschulpolitischen Engagement auch von einer »Umformung der Gesellschaft« träume, berichtet die »SZ«. Er habe seine Aktivitäten daraufhin eingestellt, sei aber aus Vergesslichkeit offiziell noch bis 2017 Mitglied geblieben. Erst beim Ausfüllen der Formulare für die Verfassungstreue im öffentlichen Dienst habe er sich wieder an seine Mitgliedschaft erinnert, woraufhin er diese sogleich beendet habe.

Für den Verfassungsschutz und das Kultusministerium ist die Geschichte gleichwohl Grund genug, seine Eignung für den Schuldienst anzuzweifeln. Seitdem ist es für den 34-Jährigen unmöglich, sein Referendariat vollumfänglich wahrzunehmen. Unterrichten kann er im Moment lediglich deshalb, weil er die Unterstützung seiner Schule genießt - aufgrund der aktuellen Situation bekommt er für seine Arbeit allerdings kein Gehalt. Es handelt sich um ein klassisches Berufsverbot wie aus den 70er Jahren - mit dem Unterschied, dass es im Jahr 2018 erlassen wurde. Glasl will diese weitreichende Maßnahme nicht hinnehmen, die ihm die Ausübung seines Berufes unmöglich macht. Er hat sich anwaltlichen Beistand organisiert und vor dem Verwaltungsgericht München Klage eingereicht, um die Rechtswidrigkeit des Berufsverbots festzustellen zu lassen.

Unterstützung erfährt der angehende Pädagoge von der Bildungsgewerkschaft GEW und der bayerischen LINKEN. »Einem jungen Menschen bereits die Ausbildung zu verwehren, ist mehr als verantwortungslos«, sagt der GEW-Landesvorsitzender Anton Salzbrunn. Für den Gewerkschafter ist das Berufsverbot ein »Relikt aus vordemokratischen Zeiten«, das das Recht auf freie Berufswahl einschränke. Der junge Kollege müsse daher umgehend in den Vorbereitungsdienst aufgenommen werden. Der Landessprecher der bayerischen LINKEN, Ates Günipar, geht sogar noch weiter: Er wirft dem Verfassungsschutz vor, im Kalten Krieg hängengeblieben zu sein.

Tatsächlich ist Glasls Fall nicht das erste Berufsverbot, das in Bayern für Aufsehen sorgt. Bereits 2016 hatte der angehende Doktorand Kerem Schamberger, Mitglied der DKP, vergleichbare Schlagzeilen produziert. Er hatte sich damals für seine Dissertation an der Ludwig-Maximilian-Universität (LMU) München beworben und musste lang auf seine Einstellung warten, weil der Verfassungsschutz eine Stellungnahme über einen langen Zeitraum verzögerte. Am Ende stellte die LMU den Wissenschaftler jedoch trotz behördlicher Bedenken ein. Seither arbeitet Schamberger an der LMU an seiner Dissertation, ohne dass es je Probleme gegeben hätte.

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