- Wirtschaft und Umwelt
- Arbeitsbedingungen bei Zustelldiensten
Paketbranche sucht händeringend Mitarbeiter
Gewerkschaften kritisieren hohe Arbeitsbelastung bei geringem Lohn und niedrige Tarifbindung von Firmen
Bonn. Deutschlands Paketbranche sucht händeringend nach Mitarbeitern. Wegen des demografischen Wandels und der geringen Arbeitslosenquote werde es für die Firmen immer schwieriger, den steigenden Bedarf an geeigneten Zustellern zu decken, teilt der Bundesverband Paket & Expresslogistik auf Anfrage mit. Der Verband vertritt Firmen wie GLS, Hermes und DPD. Vom Marktführer und Ex-Staatsmonopolisten, der Deutschen Post DHL, heißt es, vor allem in einigen Ballungsräumen sei es »eine Herausforderung, den Bedarf an gutem Personal zu decken«.
Die Paketbranche, zu der auch Kuriere und Expressdienst-Beschäftigte zählen, wächst seit Jahren dank des boomenden Online-Handels und der guten Wirtschaftslage. Sie hatte 2016 laut dem Verband hierzulande 219.000 Beschäftigte, zehn Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Mit der Zahl sind nicht nur Zusteller gemeint, sondern zum Beispiel auch Beschäftigte in Depots.
Aus Gewerkschaftssicht sind die Probleme zum Teil hausgemacht. »Die Arbeitsbelastung ist hoch und die Bezahlung häufig zu niedrig - da ist es kein Wunder, dass Bewerber nicht Schlange stehen«, sagt ver.di-Expertin Sigrun Rauch. Sie moniert, dass GLS, DPD und Hermes auf Subunternehmer setzen - die Zusteller sind in deren Auftrag unterwegs, aber bei anderen Firmen angestellt.
Hohe Arbeitsbelastung, niedriger Lohn
Ein Großteil dieser Subunternehmer ist nach Darstellung von ver.di nicht tarifgebunden - häufig werde Mindestlohn bezahlt. Das müsse sich ändern, so Rauch. Stiege die Tarifbindung, nähme das Interesse von Beschäftigten an Jobs in der Branche zu, ist sie sich sicher.
Zusteller, die für GLS, DPD und Hermes unterwegs sind, bekommen mancherorts nur Mindestlohn, in Ballungsräumen etwas mehr. Die Verwaltungs- und Depot-Mitarbeiter von DPD und Hermes sind hingegen tarifgebunden, die von GLS nicht. Laut ver.di bekommt ein Beschäftigter, der nach Logistik-Tarifvertrag bezahlt wird und mit dem Job anfängt, in NRW 13,38 Euro pro Stunde und in Berlin 12,58 Euro. Am besten sieht es in Baden-Württemberg aus, wo 18,94 Euro pro Stunde gezahlt werden.
Und wie ist die Lage beim Marktführer, der Deutschen Post DHL? Im Schnitt verdienen die Mitarbeiter dort besser als bei der Konkurrenz. »Alle unsere Paketzusteller werden nach Tariflohn bezahlt«, betont eine Post-Sprecherin. Allerdings handelt es sich hier um zwei verschiedene Tarife - ältere Angestellte werden nach dem insgesamt höher dotierten Haustarifvertrag bezahlt, jüngere Paketboten hingegen über die 2015 gegründeten Delivery-Tochterfirmen nach dem niedrigeren Level der Logistikbranche. Diese Gründungen wurden von ver.di scharf kritisiert.
Ein Sprecher des Deutschen Paketdienstes (DPD), einer Tochter der französischen Post, nennt unter anderem ein steigendes Bildungsniveau als einen Grund dafür, dass die Mitarbeitersuche schwieriger geworden sei: »Körperlich fordernde Arbeit ist für immer weniger Menschen eine berufliche Option.« Durch das Management von Kapazitäten gelinge es immerhin, »operative Auswirkungen des Arbeitskräftemangels weitgehend auszuschließen«.
Beschäftigte können sich Firmen aussuchen
Auch eine GLS-Sprecherin bezeichnet die Suche nach Arbeitskräften als große Herausforderung. Früher hätten die Firmen die Wahl gehabt unter vielen Bewerbern, die zu ihnen gekommen seien. »Heute ist es hingegen ein Arbeitnehmermarkt: Man muss sich als Firma präsentieren und vorstellen, um die Arbeitnehmer zu bekommen.«
Kritik daran, dass GLS bei Zustellern auf Subunternehmer setzt, kann sie nicht nachvollziehen. »Arbeitsteilung ist völlig normal in vielen Bereichen der Wirtschaft, etwa bei Autoherstellern und ihren Zulieferern.« Subunternehmer seien flexibler und kennen die Gegebenheiten vor Ort besser als ein großer Konzern. GLS ist eine Tochter der britischen Post.
Nach Angaben der Bundesnetzagentur stieg die Menge der Pakete, die in Deutschland pro Jahr versandt werden, von 2010 bis 2016 um rund 50 Prozent auf 2,522 Milliarden. Jüngere Zahlen liegen nicht vor.
Anbieter Hermes schätzt, dass sich diese Menge bis 2025 verdoppeln wird. »Die Nachwuchssorgen (...) werden sich angesichts des starken Wachstums der Branche und der Zukunftsprognosen noch zuspitzen«, sagt eine Sprecherin. Bis 2025 würden in Deutschlands Paket-, Express- und Kurier-Branche 100.000 zusätzliche Zusteller benötigt. Die Sorgenfalten der Branchenmanager, die Mitarbeiter suchen, dürften sich demzufolge nicht allzu bald glätten. dpa/nd
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